Wahlen Ausserrhoden

«Habe nicht mehr mit meiner Wahl gerechnet»

20.10.2019, 17:25 Uhr
· Online seit 20.10.2019, 16:59 Uhr
Wäre den Politikern im Regierungsgebäude in Herisau bei den National- und Ständeratswahlen in Ausserrhoden eine Pulsuhr um das Handgelenk gelegt worden - hätten diese ungesunde Werte angezeigt: Die Spannung war gross und genauso die Überraschung bei David Zuberbühler, als er als Nationalrat wiedergewählt wurde.
Anzeige

Verwirrung. Kameras die hektisch gedreht und neu ausgerichtet werden. Blitzgewitter. Ein David Zuberbühler (SVP), der in Tränen ausbricht und sich kaum mehr aus der Umarmung seiner Liebsten lösen will. Die Nationalratswahlen in Appenzell Ausserrhoden waren hochemotional und spannend bis zur Auszählung der letzten Gemeinde Herisau.

Die ersten Zwischenresultate nach Auszählung von 12 der 20 Gemeinden liessen erwarten, dass Jennifer Abderhalden, die für die FDP antrat, die Nase bei den Nationalratswahlen leicht vor dem bisherigen SVP-Nationalrat David Zuberbühler haben wird. Sie hatte knapp 1000 Stimmen Vorsprung gegenüber Zuberbühler.

Diese knapp 1000 Stimmen Vorsprung hatte Abderhalden auch noch, als 19 der 20 Gemeinden ausgezählt waren. David Zuberbühler: «In diesem Moment ging ich nicht mehr davon aus, genügend Stimmen zu erhalten», sagt der SVP-Politiker nach der Entscheidung. «Ich habe meiner Familie bereits gesagt, dass ich mich auf mehr Zeit mit ihnen freue. Als mein Name dann tatsächlich als Wahlsieger genannt wurde, fiel mir ein unglaublicher Stein vom Herzen und ich wurde von meinen Gefühlen überwältigt.»

159 Stimmen entschieden die Wahl

Der Gefühlsausbruch nach der Entscheidung ist David Zuberbühler noch anzusehen. In seiner rechten Hand ruht ein feuchtes Taschentuch, das er schon zur Genüge an seine nassen Augen geführt hatte. Die Augen glänzen noch immer. Als der Name «David Zuberbühler» fiel, waren die Kameras längst auf Jennifer Abderhalden gerichtet, die Medien sowie viele der Gäste hatten schon fest mit der Wahl der FDP-Politikerin und Stabchefin des St.Galler Stadtpräsidenten Thomas Scheitlin gerechnet. Am Schluss waren es 159 Stimmen mehr, die für David Zuberbühler die Entscheidung brachten und ihn somit im Amt als Ausserrhoder Nationalrat bestätigten.

«Es ist eine Bestätigung dafür, dass ich aus Sicht der Bevölkerung, das Amt gewissenhaft und mit viel Herzblut ausgeübt habe und dabei meine Appenzeller Eigenschaften nicht verloren habe, sondern auf dem Boden und bescheiden blieb, so wie ‹dä Zubi› der bereits vor vier Jahren angetreten ist.» Auch wie vor vier Jahren fiel die Entscheidung erst nach Auszählung der letzen Gemeinden, damals schnappte Zuberbühler der FDP den Sitz im Nationalrat weg. «Ich rechne schon seit vier Jahren mit einem Angriff der FDP.» Dieser Angriff scheiterte an diesem Wahl-Sonntag aber nur knapp.

Jennifer Abderhalden zeigt sich trotzdem zufrieden mit dem Resultat: «Ich habe verloren. Das sehr knappe Resultat macht mich aber stolz. Die Arbeit der letzten Woche hat sich ausgezahlt: Knapp die Hälfte der Ausserrhoder Stimmbevölkerung hat meinen Namen in die Urne gelegt.»

Caroni mit deutlicher Mehrheit gewählt

Jennifer Abderhalden wurde von der FDP als «Notnagel» eingesetzt, die eigentliche Favoritin der FDP, Daniela Merz-Sturzenegger, gesundheitshalber ihre Kandidatur zurück ziehen musste. Die Schwiegertochter von alt Bundesrat Hans-Rudolf Merz musste wegen Beschwerden mit den Stimmbändern behandeln lassen.

Im Ständerat bestätigt wurde FDP-Vizepräsident Andrea Caroni. Der 39-Jährige trat gegen den Aussenseiter und SVP-Politiker Reto Sonderegger an. Dieser wollte, gemäss eigener Aussage, den Ausserrhodern eine Auswahl bieten und Caroni nicht als alleinigen Kandidaten antreten lassen. Bereits im Vornherein verkündete seine Partei, die SVP, aber, dass sie Andrea Caroni und nicht Reto Sonderegger unterstützen werde. Das Resultat war erdrückend deutlich: Caroni sicherte sich über 11'000 Stimmen, Sonderegger knapp über 4000 Stimmen. 

«Ich habe mir mehr erhofft», sagt Sonderegger nach dem Ausgang der Wahlen niedergeschlagen. «Natürlich bin ich enttäuscht. Realistisch gesehen, musste man aber davon ausgehen, dass ich eher verliere als gewinne.»

«Bin länger in Bern als ich Kinder habe»

Obwohl bereits nach Bekanntgabe der ersten Zwischenresultate ein deutlicher Abstand zwischen den beiden Kandidaten auszumachen war, sagt Caroni nach dem Entscheid: «Gewählt ist man erst, wenn man gewählt ist. Ich habe die Gegenkandidatur bis zum Schluss todernst genommen und freue mich jetzt ‹schampar›, dass ich wiedergewählt wurde.» Für ihn sei der Wahlkampf wie ein Wettkampf gewesen: «Ich hatte einen Gegenspieler, gegen den ich antreten musste. Die Wiederwahl zeigt mir, dass die Leute, das, was ich mache, schätzen und mehr davon wollen.»

Andrea Caroni wirkt wie ein Gewinner. Mit einem strahlenden Lachen und einem bunten Strauss im Arm schüttelt er eine Hand nach der anderen. Gratuliert seinem Konkurrenten und den Nationalratskandidaten. Seine beiden kleinen Kinder schauen ihrem Papi dabei mit grosse Augen zu: «Die Kinder kommen das alles so halbwegs mit. Sie haben aber schon gefragt, wann sie das nächste Mal nach Bern kommen dürfen. Sie haben die Magie des Bundeshauses auch schon gespürt.» Dass ihr Papi dann viel unterwegs sein werde, seien sie sich schon gewohnt. «Ich bin schon länger in Bern als ich Kinder habe», sagt Caroni lächelnd.

Auf Wahlfeier wird verzichtet

Schmerzhafter ist diese Tatsache für Nationalrat David Zuberbühler: «Die Kinder hatten Tränen in den Augen, das hat mich sehr berührt und ich werde versuchen, an etwas weniger Veranstaltungen teilzunehmen, um mehr Zeit mit der Familie zu verbringen.»

Gross gefeiert wird in Herisau übrigens nicht. Beide Gewinner verzichten auf eine Wahlfeier und gehen stattdessen mit der Familie gemütlich Abendessen. Bei Andrea Caroni ist klar, was auf den Teller kommt: «Ich habe eine einfache Regel: Wenn ein Cordon-Bleu auf der Karte steht, dann nehme ich das.»

In Herisau stand übrigens noch eine Abstimmung über den Bahnhof Herisau auf dem Programm. Die Änderung des Teilzonenplans für den Bahnhof ist mit 3577 Ja-Stimmen zu 974-Nein-Stimmen klar angenommen worden.

 

veröffentlicht: 20. Oktober 2019 16:59
aktualisiert: 20. Oktober 2019 17:25
Quelle: FM1Today

Anzeige
Anzeige