Thurgau

Bund stellt Bodensee-Thurtal-Strasse zurück – Kritik und Petition

· Online seit 31.01.2022, 14:29 Uhr
Die Absicht des Bundes, die Bodensee-Thurtal-Strasse (BTS) vorläufig nicht zu realisieren, löst im Thurgau kontroverse Reaktionen aus. Die FDP beharrt mit einer Petition «BTS umsetzen jetzt» auf dem Milliardenprojekt. Die GLP hingegen fragt, wer die Verantwortung für das «BTS-Desaster» trage.
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Mit der Bodensee-Thurtal-Strasse sieht der Kanton Thurgau eine vollständige Neutrassierung der Nationalstrasse N23 auf einer Länge von über 33 Kilometern vor. Die BTS soll von Arbon über Amriswil und Weinfelden bis zum A7-Zubringer östlich von Frauenfeld führen und die Ortsdurchfahrten vom Durchgangsverkehr entlasten.

Verantwortlich für das Projekt ist der Bund. Dieser will die voraussichtlich 1,7 Milliarden Franken teure BTS vorerst nicht realisieren, sondern noch einmal überprüfen. Laut der Vorlage, die vergangene Woche in die Vernehmlassung ging, sieht der Bundesrat «Probleme bei der Verträglichkeit und der Funktionalität» der BTS.

Das Vorhaben ziehe einen hohen Flächenbedarf nach sich, bedinge beträchtliche Eingriffe in die Landschaft und verursache im Vergleich zum Nutzen sehr hohe Kosten, heisst es im Bericht. In der Summe bestünden «Zweifel an der Kompatibilität des Vorhabens mit den verkehrs- und umweltpolitischen Vorgaben des Bundes».

FDP empört über «Affront»

Dass der Bund die BTS grundlegend in Frage stelle, ist für die Thurgauer FDP «ein Affront gegenüber dem Thurgau». Die Thurgauer Bevölkerung habe dem Projekt 2012 mit 55 Prozent Ja-Anteil zugestimmt, teilte die FDP am Montag mit. Nun weigere sich der Bund, das pfannenfertige Projekt anzugehen.

Die FDP lanciert deshalb die Petition «BTS umsetzen jetzt». Die Strasse müsse entgegen den derzeitigen Plänen des Bundes unbedingt im Strategischen Entwicklungsprogramm «STEP 2030» realisiert werden. «Der Thurgau darf nicht abgehängt werden», fordert die FDP in ihrer Einladung zur Lancierung der Petition.

Ganz anders die Reaktion der Grünliberalen: Die Thurgauer Regierung habe 2012 «das Volk doppelt getäuscht», heisst es in einer Stellungnahme der Partei. Die damals veranschlagten Kosten von 800 Millionen seien auf über das Doppelte gestiegen. Zudem habe die Regierung versichert, nach der Übergabe des Projekts an den Bund würden schon bald die Bagger auffahren.

Zehn Millionen für Planung

Die GLP-Fraktion im Grossen Rat habe schon 2018 einen Planungsstopp für die BTS gefordert, schreibt die Partei weiter. Die Vorschläge der GLP und von Umweltverbänden, etwa für einen Ausbau in Etappen, seien «immer wieder in den Wind geschlagen» worden. So seien beim Kanton Planungskosten von über zehn Millionen Franken aufgelaufen.

Der angerichtete Schaden sei gross, finanziell wie auch für die Reputation des Thurgaus. «Wer übernimmt nun die Verantwortung für dieses Desaster?» fragt die GLP. Der Regierungsrat müsse jetzt über die Bücher gehen und selbstkritisch Fehler eingestehen.

Dass der Bund die Planung der Thurgauer BTS zurückstellen will, hat auch Folgen für das Projekt der Oberlandstrasse (OLS). Diese Verbindungsstrasse soll Kreuzlingen an die BTS anbinden. Die OLS wurde von den Stimmberechtigten im Jahr 2012 zusammen mit der BTS gutgeheissen. Die Kosten wurden damals auf 220 Millionen geschätzt.

Auch OLS in Frage gestellt

Für die Projektierung der OLS hat der Kanton bisher 4,7 Millionen Franken aufgewendet, wie die Regierung am 11. Januar in ihrer Antwort auf eine Interpellation von SP und Grünen schrieb. Die Gesamtkosten für die OLS dürften demnach zwischen 254 und 282 Millionen Franken liegen. Solange die BTS nicht gebaut werde, brauche es auch die OLS nicht.

Sowohl die Interpellation als auch die Antwort der Regierung wurden vor Bekanntwerden des jüngsten Entscheids des Bundes zur BTS formuliert. SP und Grüne hatten Ende 2021 unter dem Titel «Planungsstand Oberlandstrasse: Steckt die OLS in der Sackgasse?» eine grundsätzliche Neubeurteilung des Projekts gefordert.

«Die Klimakrise, die ständige Abnahme von Biodiversität und Artenvielfalt sowie ein weiterer Kulturlandverlust zwingen zu deutlich sorgfältigeren Abwägungen bei Strassenneubauprojekten», hiess es in der Interpellation. Alternativ habe je nach Region auch der öffentliche Verkehr noch grosses Ausbaupotenzial.

veröffentlicht: 31. Januar 2022 14:29
aktualisiert: 31. Januar 2022 14:29
Quelle: sda

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