Deshalb solltest du kein Seewasser trinken

· Online seit 10.06.2019, 07:27 Uhr
Eine Joggingrunde will geplant sein. Entweder man trinkt vorher genug oder wählt eine Route, die an möglichst vielen Trinkwasser-Brunnen vorbeiführt. Sonst muss man - wie ich - aus dem See trinken. Und das ist laut des St.Galler Kantonschemikers eine ganz schlechte Idee.
Christoph Thurnherr
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Eine getrocknete Tomate, die ein wenig zu lange im 5-Lagen-Dörrautomat war. Ungefähr so fühlt sich die durschnittliche Joggerzunge an, wenn die Poren verschwenderisch sämtliche Flüssigkeit in Form von Schweiss nach aussen befördert haben. Kann bei einem akuten Fall von «Runner's High» schon mal vorkommen: Irgendwie läuft's wie geschmiert, der Kilometerzähler dreht schneller als der Ventilator im Büro und aus dem vorgesehenen Zehn-Kilometer-Lauf dem See entlang wird ein Halbmarathon.

Ist mir so passiert. Auf dem Rückweg von Egnach habe ich zwar immer noch Power, aber der Durst ist überwältigend. Ich fühle mich wie Albus Dumbledore, nachdem er den Kelch in Voldemorts Höhle ausgetrunken hat. Brunnen? Fehlanzeige. Restaurant? Nix. Dabei ist das Wasser nur ein paar Meter entfernt. Aber aus dem See trinkt man nicht. Oder doch? Ich sehe keine andere Möglichkeit, forme meine Hände zu einer Mulde und schöpfe das beeindruckend klare Seewasser. Es sieht völlig unverdächtig aus. Wie aus dem Hahn. Und es schmeckt richtig geil. Ich bin sogar der Meinung, niemals zuvor derart leckeres Wasser getrunken zu haben. Es ist darum auch nicht bei der einen hohlen Hand voll Wasser geblieben.

Der Weg nach Hause war nach der Stärkung kein Problem mehr, aber der Gedanke liess mich nicht mehr los: Wie ungesund ist das eigentlich? Ich muss jemanden fragen, der sich auskennt.

Vogelkot und Parasiten

«Wasser aus Oberflächengewässer zu trinken, empfehlen wir nicht. Da gibt es unter anderem Ausscheidungen von Seevögeln und Wassertieren, die sich in Ufernähe aufhalten», sagt der stellvertretende St.Galler Kantonschemiker Klaus Luzcynski. Das Wasser kann auch Parasiten enthalten. Davon kann man krank werden oder Durchfall bekommen. Vor allem, wenn man das «leckere» Seewasser gleich literweise trinkt. Da der Bodensee ein nährstoffarmer See ist, ist die Belastung in anderen Gewässern teilweise noch höher: «In nährstoffreichen Gewässern gibt es mehr Plankton und Kleinstlebewesen, die man dann auch trinkt.» Luczysnki kann für kein Oberflächenwasser eine bedenkenlose Empfehlung abgeben, auch nicht für Quellwasser. Dort besteht ebenfalls die Möglichkeit einer Verunreinigung, etwa von einer angrenzenden Viehweide.

«Die Wasserwerke betreiben einen riesigen Aufwand»

Der Bodensee ist eine gigantische Trinkwasserquelle. 5,5 Millionen Menschen in der Schweiz und in Deutschland werden durch das «Bodenmeer» versorgt. Das Rohwasser aus dem See wird aber mehrstufig aufbereitet, bevor es aus dem Hahn kommt. Es wird in bis zu 60 Metern Tiefe angesaugt, läuft durch mehrere Filter und wird im Anschluss mit Ozon und Chlor behandelt. «Die Wasserwerke betreiben einen riesigen Aufwand, um sauberes Trinkwasser zu erzeugen», sagt Luczysnki. Aufbereitetes Wasser ist seit etwas mehr als hundert Jahren Teil unseres Lebens. Davor gab es riesige Probleme, zum Beispiel mit Cholera.

Bei mir hat das ungesunde Rohwasser keine Spuren hinterlassen, auch wenn ich es in Ufernähe getrunken habe. Das ist - laut Luczynski - besonders schlecht. Die Wellen wirbeln das Sediment auf und die Ablagerungen vermischen sich mit dem Wasser. Ist man gezwungen Seewasser zu trinken, wäre es also sinnvoller es in der Mitte des Sees zu tun.

Dazu wird es bei mir nicht kommen. Bei einer nächsten Joggingrunde mit ausgetrockneter Zunge, werde ich bestimmt nicht mehr aus dem See trinken. Vielleicht setze ich mich einfach hin und bestelle für 18 Franken Mineralwasser beim Pizzaliefereranten.

(thc)

 

veröffentlicht: 10. Juni 2019 07:27
aktualisiert: 10. Juni 2019 07:27

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