Wegen verschärftem Gesetz

«Deutlicher Mehraufwand» – Ostschweizer Migrationsämter sind am Limit

· Online seit 08.02.2023, 07:58 Uhr
Zum einen steigt die ausländische Wohnbevölkerung stetig, zum anderen müssen kantonale Migrationsämter Niederlassungsbewilligungen strenger prüfen. Das fordert die verantwortlichen Stellen in der Ostschweiz.
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Bei den Schweizer Migrationsämter stapeln sich zurzeit die Fälle. Diese Belastung spüren auch die Migrationsämter in den Kantonen St.Gallen und Thurgau. Grund dafür ist mitunter die Verschärfung des Ausländer- und Integrationsgesetzes (AIG), wofür sich der National- und Ständerat im Jahr 2019 entschieden hat.

Gleich viel Personal für mehr Arbeit

Für die Migrationsämter bedeutet das einen Mehraufwand. Auch wenn eine Person schon länger in der Schweiz lebt, muss das Amt regelmässig überprüfen, ob die Person wirklich genug integriert ist. «Damit haben wir in gewissen Bereichen Aufgaben erhalten, die wir davor nicht hatten», sagt Jürg Eberle, Leiter des St.Galler Migrationsamts. Mehr Mitarbeitende habe Eberle dafür aber nicht zur Verfügung. Auch das Migrationsamt Thurgau spürt diese zusätzlich benötigten Ressourcen.

So muss unter anderem eine Person mit Niederlassungsausweis (C-Ausweis) alle fünf Jahre, jemand mit einer Aufenthaltsbewilligung (B-Ausweis) alle ein bis zwei Jahre kontrolliert werden. Je nach Ergebnis der Prüfung können Bewilligungen zurückgestuft oder Personen sogar aus der Schweiz weggewiesen werden. «Solche Rückstufungen oder Entzüge von Bewilligungen gibt es immer wieder», sagt Eberle. Gleichzeitig betont er: «Meistens gibt es dafür eine Kombination von verschiedenen Widerrufsgründen.»

Einzelne Fälle bedeuten grossen Aufwand

Alleine im Kanton St.Gallen gibt es jährlich 25'000 bis 30'000 laufende Bewilligungen, die überprüft werden müssen. Hinzu kommen jeweils unzählige neue Bewilligungen. Fokus bei einem Check der laufenden Bewilligungen haben dabei Schulden, Sprachkenntnisse, Strafregister oder Sozialhilfeabhängigkeit. «In 95 Prozent der Fälle ist die Überprüfung kein grosser Aufwand und innert weniger Tage abgeschlossen», erklärt Eberle. Zum Beispiel dann, wenn die betroffene Person eine geregelte Arbeit hat und nicht von der Sozialhilfe abhängig ist.

Gibt es bei einer ausländischen Person etwas, das besonderes Augenmerk verlangt, wird es aufwendig. Davon seien etwa fünf Prozent betroffen. Das gilt besonders für Situationen, wenn eine Straffälligkeit vorliegt oder eine Person von der Sozialhilfe lebt. Diese Einzelfälle würden den grossen Mehraufwand bedeuten. «Je schwieriger es ist, an gewisse Informationen zu kommen, oder je komplizierter die Umstände sind, desto länger dauert es, bis ein Verlängerungsverfahren abgeschlossen ist», so Eberle.

In solchen Situationen könne sich eine Entscheidung auch monatelang bis über mehrere Jahre hinweg ziehen, bis ein rechtskräftiger Entscheid vorliegt. «Wir machen eine solche Überprüfung neutral und aufgrund von Tatsachen, weil die Entscheidungen eine grosse Rolle für das Schicksal der Betroffenen spielt», ergänzt der Amtsleiter.

Mehr Personal steht in St.Gallen nicht in Aussicht

Auf die Frage, ob sich dieser Aufwand lohnen würde, könne das Migrationsamt St.Gallen keine Angaben machen. «Wir sind an die rechtlichen Grundlagen gebunden und wenden diese an», sagt Eberle. Den Nutzen dieses Aufwandes zu beurteilen, sei Sache der Behörden, begründet er weiter. Dies betont auch der Kanton Thurgau auf Nachfrage.

Was das Migrationsamt machen könne, ist effizient zu arbeiten und Abläufe zu optimieren. «Grundsätzlich müssen wir mit demselben Personalbestand und Geld wie bis anhin zurechtkommen», meint Eberle. Ob das Migrationsamt diese Dossierflut so bewältigen kann, wird sich zeigen. Auch im Kanton Thurgau sei noch unklar, ob das Budget Ressourcen für mehr Personal zulassen wird, teilt die Staatskanzlei auf Anfrage mit.

Das sieht in anderen Kantonen in der Schweiz anders aus. So kämpfen zum Beispiel auch der Kanton Bern, Aargau oder Luzern mit genau derselben Problematik, wie «SRF» berichtet. Diese allerdings stocken wegen des Mehraufwands durch das neue AIG das Personal in den Ämtern auf. Beim Migrationsamt Aargau soll es drei weitere Stellen geben, in Bern zwei und im Kanton Luzern gab es letztes Jahr 150 Stellenprozente mehr.

veröffentlicht: 8. Februar 2023 07:58
aktualisiert: 8. Februar 2023 07:58
Quelle: FM1Today

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