St.Gallen

Gratis Menstruationsartikel an Schulen – unnötig oder überfällig?

26.02.2023, 18:55 Uhr
· Online seit 26.02.2023, 12:10 Uhr
Die Diskussion um kostenlose Menstruationsartikel an Schulen reisst nicht ab. Nun stellt auch Vorarlberg die Artikel an Landesschulen zur Verfügung. Im FM1-Land scheiden sich die Geister. Die SVP sieht darin einen Nachteil für den Mann, die SP hätte das Angebot am liebsten schon gestern eingeführt.

Quelle: FM1Today/Elija Eberle/Jessica Kappeler

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Tante Rosa, Erdbeerwoche, rote Welle: Niedliche Begriffe, die verschleiern sollen, was Sache ist. Frauen und Mädchen bluten einmal im Monat, haben ihre Periode, menstruieren. In der breiten Bevölkerung ist es noch immer ein Tabuthema, schliesslich geht es nur Frauen etwas an und Blut, vor allem von «da unten», ist sowieso «eklig».

Doch die Zeiten sind im Umbruch, die Dinge werden beim Namen genannt. Dabei geholfen haben sicherlich die feministischen Bewegungen der letzen Jahre. Und so langsam scheint das Anliegen auch in der Popkultur angekommen zu sein. Bestes Beispiel: Bis vor kurzem gossen die Frauen in der Binden-Werbung noch Wasser oder eine blaue Flüssigkeit auf die Slipeinlagen. Seit neuestem ist es eine rote.

Zürich und Vorarlberg machen es vor 

Der tabuisierende Umgang mit der Menstruation kann vor allem junge Mädchen verunsichern und eine Scham entwickeln lassen. Ein selbstverständlicherer Umgang mit dem Thema würde dem entgegenwirken.

Einen Schritt in diese Richtung hat der Kanton Zürich bereits vor zwei Jahren gemacht. Mit dem Schuljahresbeginn 2021/22 startete das Schul- und Sportdepartement in zehn Schulen einen Pilotversuch mit kostenlosen Menstruationsartikeln. Kurze Zeit später ging der Gemeinderat noch weiter und forderte mit einem Postulat gratis Menstruationsartikel an Schulen in der gesamten Stadt.

Und auch unsere österreichischen Nachbarn in Vorarlberg gehen diesen Schritt ab dem Sommer. Dann gibt es an allen Landesschulen kostenlose Menstruationsartikel in den Mädchen-Toiletten. Die Massnahme ist laut der SPÖ-Landtagsabgeordneten Elke Zimmermann nicht nur ein wichtiger Schritt gegen die Tabuisierung der Periode, sondern auch schlichtweg eine Hilfe für junge Mädchen. «Gerade bei Mädchen und jungen Frauen, die noch keinen regelmässigen Zyklus entwickelt haben, kann die Regelblutung oftmals überraschend eintreten. Umso wichtiger ist es, dass sie in diesem Fall dann auch in der Schule auf entsprechende Hygieneartikel zurückgreifen können», sagte sie gegenüber «ORF».

«Der Staat kann nicht alle Aufgaben übernehmen»

Gratis Menstruationsartikel an St.Galler Schulen zur Verfügung zu stellen, davon hält Hedy Fürer, SVP-Kantonsrätin und Landwirtin, wenig. «Männer müssen sich auch jeden Tag rasieren, Frauen brauchen diese Artikel nur einmal im Monat. Müssen wir dann künftig den Männern Rasierschaum und Rasierer zur Verfügung stellen?», sagt sie im Interview mit TVO.

Einer allfälligen Volksabstimmung rechnet sie keine guten Chancen aus. Sie sei sicher, dass die meisten das nicht wollen. Schlussendlich sei es eine Frage der Finanzierung. Dass das Geld «nicht auf der Strasse liegt», sehe sie im Kantonsrat. Das Geld müsse zuerst verdient werden, bevor man es ausgeben kann. «Der Staat kann nicht alle Aufgaben übernehmen.»

«Die Schweiz sollte eine Vorreiterrolle einnehmen»

Ganz anders sieht das die Rheintaler SP-Präsidentin und St.Galler Kantonsrätin Karin Hasler. Sie findet die Schweiz «sollte nicht nur nachziehen, sondern eine Vorreiterrolle einnehmen».

Das Argument, dass Männer sich jeden Tag (auf eigene Kosten) rasieren müssen, lässt die SP-Politikerin nicht gelten. Den Vergleich findet sie unpassend, wie sie im Interview mit TVO sagt: «Menstruation ist eine biologische Tatsache, man kann nicht ohne Hygieneartikel auskommen. Die Periode bestimmt und beeinflusst die Befindlichkeit und Gesundheit von Frauen sehr.»

Sie denkt zurück an ihre Schulzeit, als sie während der Periode klammheimlich eine Binde aus der Tasche ziehen und möglichst unauffällig auf die Toilette gehen musste, ohne dass jeder mitbekommt, dass sie gerade ihre Tage hat. Nur schon zum Schutz der Privatsphäre würde sie kostenlose Hygieneartikel auf Mädchen-Toiletten begrüssen.

Was Passantinnen und Passanten in St.Gallen von kostenlosen Menstruationsartikeln an Schulen halten, siehst du oben im Video.

Wer soll das alles bezahlen? 

Diese Frage stellen sich beide Lager. Gegner der kostenlosen Menstruationsartikel sorgen sich ums Budget des Staates, Befürworter um das der Frauen. Sich Menstruationsartikel kaufen zu müssen, stelle eine Mehrbelastung dar, findet SP-Kantonsrätin Karin Hasler. «Frauen tragen alleine schon durch die Mehrwertsteuer ungerechte Kosten. Sie müssen mehr ausgeben für Güter des täglichen Gebrauchs.»

SVP-Politikerin Hedy Fürer ist erstaunt. Die heutige Jugend habe verglichen mit ihrer Generation einiges an Geld zur Verfügung. «Ich verstehe nicht, dass man heute nicht fähig ist, sich diese Artikel selber zu kaufen», so die Kantonsrätin. «Wenn man als Frau auf die Welt kommt, ist die Periode biologisch einfach gegeben. Damit muss man sich abfinden.»

veröffentlicht: 26. Februar 2023 12:10
aktualisiert: 26. Februar 2023 18:55
Quelle: FM1Today

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