Domat/Ems

Der Tod in Glas gehüllt – Erinnerungskristalle sollen Tabu brechen

27.02.2022, 07:33 Uhr
· Online seit 27.02.2022, 07:33 Uhr
Asche zu Asche, Staub zu Staub? Das Domat/Emser Unternehmen Immer und Ewig AG bietet noch eine weitere Möglichkeit an. Asche von Verstorbenen wird dort zu Glaskristallen verarbeitet. Geschäftsführerin Delia Dünser erklärt das Geschäft mit dem Tod.

Quelle: FM1Today / Dario Brazerol

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Was soll nach deinem Tod mit dir passieren? Diese Frage stellen wir uns alle früher oder später. Meist verdrängen wir den Gedanken an die eigene Vergänglichkeit aber schnell wieder und nehmen uns fest vor, irgendwann eine Entscheidung zu treffen. Dies, obwohl die Optionen doch eigentlich gar nicht so breit gefächert sind: Erdbestattung oder Kremierung. Asche zu Asche, heisst es nun mal. Doch die Asche kann mittlerweile auch ganz andere Formen annehmen: Engel, Herzen – oder Schlüsselanhänger.  

Tote als Schmuckstücke? – «Makaber ist das nicht»

«Aus nur fünf Gramm der Kremationsasche können Kunstwerke hergestellt werden», sagt Delia Dünser, Mitglied der Geschäftsleitung der Immer und Ewig AG in Domat/Ems. Das Unternehmen hat sich darauf spezialisiert, Erinnerungskristalle aus Asche von Verstorbenen zu fertigen. «Mit den Kristallen können die Hinterbliebenen den Verstorbenen zu Hause gedenken», sagt Dünser. Form und Farbe können ausgewählt werden und Glaskünstler fertigen die individuellen Werke.

Der Grossvater als Skulptur auf dem Fenstersims, die Mutter als Erinnerungsstein in der Handtasche dabei. Auf den ersten Blick mögen die Produkte der Immer und Ewig AG makaber wirken. Zu Unrecht findet Delia Dünser: «Tote brauchen auch einen Sarg oder einen Grabstein. Wir erschaffen Erinnerungsskulpturen, welche die Hinterbliebenen für sich wünschen. Makaber ist das für mich nicht. Solche Reaktionen gibt es aber schon.»

«Erfahre manchmal tragische Geschichten»

Zu ihren Kundinnen gehören vor allem Frauen im Alter zwischen 25 und 45 Jahren, die sich Erinnerungsstücke ihrer Partner oder der Eltern wünschen. «Es kommt aber auch vor, dass Menschen, welche wissen, dass sie bald sterben werden, für sich selbst ein Stück aussuchen», sagt Dünser.

Die 29-jährige Trimmiserin wird tagtäglich mit dem Tod konfrontiert. Diese Arbeit ist für sie nicht immer einfach. «Manchmal erfahre ich sehr tragische Geschichten. Es gibt immer wieder Tage, an denen ich einen Auftrag eines Verstorbenen mit demselben Jahrgang wie ich bearbeiten muss. In diesen Momenten muss ich kurz innehalten und mir vor Augen führen, wie viel Glück ich habe.»

Auch ihr eigenes Verhältnis zum Tod hat sich durch ihre Arbeit verändert. «Ich spreche mit meiner Familie und meinen Freunden öfter darüber. Ich frage auch meine Eltern, was sie sich für sich wünschen, wenn sie sterben. Es ist mir wichtig geworden, ihre Wünsche zu kennen, damit ich ihnen entsprechen kann», sagt Dünser.

«Der Tod ist in vielen Bereichen immer noch ein Tabu-Thema»

Allgemein sei es wichtig, mehr über den Tod zu sprechen, auch wenn dieser für viele ein unangenehmes Thema ist. «Viele haben grossen Respekt vor dem Tod oder wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen. In vielen Bereichen ist er immer noch ein Tabu-Thema.» Trotzdem sieht die 29-Jährige mittlerweile eine Veränderung in der Gesellschaft. «Die Möglichkeiten für Bestattungen haben sich verändert. Es gibt sogar Bestattermessen, an welchen die Breite an Bestattungsmöglichkeiten spürbar wird. Die Rituale von früher haben sich verändern.»

Auch wenn der Tod ihr täglich Brot ist – über ihr eigenes Ableben denkt die 29-Jährige nicht gerne nach: «Für mich persönlich ist es nicht gut, wenn ich mir überlege, was nach dem Tod passiert. Wir werden geboren und irgendwann sterben wir. Durch die Arbeit habe ich aber gelernt, das Leben mehr zu geniessen.» Und doch hat Delia Dünser heute schon einen Wunsch, was mit ihrer Asche passieren soll: «Ich möchte, dass sie bei Sonnenaufgang auf dem Calanda mit Countrymusik verstreut wird.»

veröffentlicht: 27. Februar 2022 07:33
aktualisiert: 27. Februar 2022 07:33
Quelle: FM1Today

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