Du-Kultur

Egal ob im Sportgeschäft oder in der Bergbeiz – in Lenzerheide wird geduzt

09.02.2023, 13:35 Uhr
· Online seit 09.02.2023, 05:50 Uhr
Längst wird man nicht nur von Freunden und Familie mit «Du» angesprochen. So setzt etwa auch der Lenzerheider Tourismus seit einem Jahr auf eine konsequente Du-Kultur, um ein sportliches und lockeres Image zu pflegen. Doch das Duzis kommt nicht bei allen gleich gut an.
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«Möchtest du sonst noch etwas?», fragt die Verkäuferin beim Bäcker. «Kann ich dir weiterhelfen?», heisst es im Kleiderladen und selbst wir schreiben auf FM1Today: «Teste dich im Quiz». Das Duzen ist längst in unserem Alltag angekommen. Die Du-Kultur verfolgt uns sowohl am Arbeitsplatz wie auch in Einkaufsläden oder in der Freizeit.

Lenzerheide macht positive Erfahrungen

So heisst es zum Beispiel auch auf der Webseite der Ferienregion Lenzerheide «Entdecke die Ferienregion Lenzerheide». Seit 2021 setzt die Tourismusorganisation in der Kommunikation auf striktes Duzen gegenüber Gästen und auch in Hotels, Restaurants und der Biathlonarena wird man in Lenzerheide unter anderem mit einem «Du» angesprochen – zum Teil schon seit mehreren Jahren. Selbst das Telefon wird mit dem Vornamen der Mitarbeitenden abgenommen.

So sei man näher bei den Gästen und verkörpere ein junges, familiäres und modernes Bild gegen aussen, erklärt Carmen Lechner, Kommunikationsverantwortliche der Ferienregion Lenzerheide. «Das ist die Zielgruppe, die wir ansprechen wollen. Auf all unseren Kommunikationskanälen duzen wir strikt. Wir haben sehr viele positive Rückmeldungen darauf erhalten», sagt Lechner weiter. «Die meisten Gäste empfinden diesen Umgang als sehr unkompliziert.»

Nicht alle sind davon überzeugt

Mitmachen wollen dabei aber nicht alle. Wie zum Beispiel der Direktor des Vier-Sterne-Hotels Lenzerhorn gegenüber «SRF» sagt, finde er das «Du» in seinem Hotel unpassend. Die Anwendung sei eben konzept- und generationsabhängig.

Die Tourismusorganisation hofft zwar darauf, dass möglichst viele Betriebe in Lenzerheide am selben Strang ziehen, um ein einheitliches Bild abzugeben. Es sei aber auch verständlich, wenn ein Betrieb in einem Luxussegment nicht Teil dieser Strategie sein möchte. «Am Ende muss jedes Unternehmen selber entscheiden, ob es das will und das Duzen zu ihm passt. Wir haben hier aber auch ein Vier-Stern-Hotel, das mitmacht», führt Lechner aus.

Gleichzeitig betont sie, dass die Organisation natürlich niemandem das Duzis aufzwingen möchte. «Spricht uns jemand per Sie an, sprechen wir den Gesprächspartner selbstverständlich auch so an.»

Verbreitetes Phänomen

Der Lenzerheider Tourismus ist längst kein Vorreiter mit der Du-Kultur. Viele Tourismusorganisationen hätten vor ihnen damit gute Erfahrungen gemacht, sagt Lechner. Und auch viele weitere Unternehmen sprechen ihre Kundschaft mit dem Vornamen an. «Diese Entwicklung ist besonders im deutschsprachigen Raum stark zu spüren und kommt da wohl auch gut an. Gerade jüngere Generationen könnten sich dadurch eher angesprochen fühlen», sagt Alice Delorme Benites, Professorin für angewandte Linguistik an der ZHAW.

Röstigraben ist spürbar

Generell gilt im deutschsprachigen Raum ein lockerer Umgang mit dem «Du». «Die Leute in der Deutschschweiz tendieren dazu, sich schnell gemeinsam auf ein Duzis zu einigen und fühlen sich dabei wohl», sagt Delorme Benites.

In der Westschweiz beispielsweise könne ein «Du» viel schneller als unseriös empfunden werden, erklärt die Professorin. «Das Duzis als fester Bestandteil in der Unternehmenskommunikation festzulegen, sollte immer abhängig von Sprache und Kultur gemacht werden», so Delorme Benites. Gäste aus der Romandie beispielsweise könnten sich sonst respektlos behandelt fühlen. Die Du-Kultur sei nicht überall gleich beliebt. So ist es in Schweden schon lange die Regel, in Frankreich aber hinterlässt es gar einen billigen Eindruck.

Lenzerheide möchte die Du-Kultur so konsequent wie möglich umsetzen. Mit ein Grund dafür sei, dass nur zehn Prozent der Gäste fremdsprachig seien. «Die meisten Kundinnen und Kunden sind deutschsprachig», erklärt Lechner. Damit fährt der Lenzerheider Tourismus scheinbar nicht schlecht, das Konzept komme bisher durchwegs positiv an.

Was hältst du von der Du-Kultur? Schreibe deine Meinung in die Kommentare.

veröffentlicht: 9. Februar 2023 05:50
aktualisiert: 9. Februar 2023 13:35
Quelle: FM1Today

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