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«Endlich!» – das sagen Churerinnen und Churer zum Konsumraum

Offene Drogenszene

«Endlich!» – das sagen Churerinnen und Churer zum Konsumraum

· Online seit 06.10.2023, 14:14 Uhr
Am Donnerstag hat die Stadt Chur die Pläne für einen Konsumraum inklusive Kontakt- und Anlaufstelle für Süchtige präsentiert. Damit soll die offene Drogenszene im Stadtgarten bekämpft werden. Doch wie reagiert die Churer Bevölkerung darauf? Und was halten die Betroffenen vom Angebot? FM1Today hat sich in Chur umgehört.

Quelle: FM1 Today / Marian Märki / Céline Stieger

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Die offene Drogenszene in der Bündner Hauptstadt ist seit Jahren ein Problem. Die Stadt ist zum Handeln gezwungen. Am Donnerstag hat sie die Pläne für eine Kontakt- und Anlaufstelle mit Konsumraum präsentiert. Diese soll an der Sägenstrasse entstehen.

Solche «Fixerstübli» sind in anderen Schweizer Städten bereits seit Jahrzehnten in Betrieb. Der zuständige Stadtrat Patrik Degiacomi betonte daher an der Medienkonferenz auch, dass das Angebot überfällig und Chur hier «stehen geblieben» sei.

Mit dieser Meinung ist Degiacomi nicht alleine. FM1Today hat bei Churerinnen und Churern nachgefragt, wie sie zu den Plänen der Stadt stehen. Fast alle haben eine Meinung dazu, doch die meisten wollten diese nicht vor der Kamera kundtun. In den geführten Gesprächen fällt aber ein Wort sehr oft: «Endlich.»

Stadt hat «gepennt»

Der Grossteil der Befragten gab an, dass ein solches Angebot längst überfällig sei. So sagt beispielsweise ein Herr mittleren Alters: «Ich habe in Zürich gearbeitet, als der Platz Spitz auf seinem Höhepunkt war und habe gesehen, was da abging. Das wünscht man niemandem.» Für ihn sei es unverständlich, dass hier so lange zugewartet wurde. Ein anderer sagt, dass die Stadt hier zu lange «gepennt» habe. Es sei schon lange klar, dass es Probleme gibt und die bisherige Lösung keine neue Entdeckung, sondern ein altbewährtes Konzept sei. Dass man nun so lange nach einem Ort dafür suchen musste, sei schlicht blamabel.

Eine ältere Dame sieht vor allem die Anlaufstelle als Gewinn. Schliesslich müsse man den Betroffenen auch Wege aufzeigen, um aus dem Kreislauf auszubrechen. Und mit der momentanen Situation würden die Süchtigen mehr an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Zwei junge Männer sehen das ähnlich: «Die haben vielleicht einmal eine falsche Entscheidung getroffen. Das kann jedem passieren. Man muss ihnen helfen, wieder ins Leben zurückzufinden.»

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Nachbarn finden es gut, aber...

Doch wie sieht es bei den direkten Nachbarn des «Fixerstüblis» aus? Auch bei den Befragten im Quartier ist die vorherrschende Meinung: «Das ist eine gute Lösung.» So sagt beispielsweise ein Ladenbesitzer, der sein Geschäft in der Nähe hat, dass er das unterstütze. Es sei besser, als wenn diese Leute einfach auf der Strasse ihre Drogen konsumieren. Angst vor Übergriffen habe er keine.

Allerdings gibt es diese Ängste bei anderen Personen. So sagt zum Beispiel der Student Fabian, der in der Nähe der Sägerstrasse lebt: «Ich gehe hier oft entlang und würde es schon als störend empfinden, wenn hier immer Menschen sind, die Drogen dabei haben oder auf Drogen sind.» Auch Nadine, die in der Nähe in einer WG lebt, sagt gegenüber FM1Today, dass sie die Neuerung grundsätzlich als positiv empfindet. Aber: «Ich muss auch am Abend mit dem Hund raus. Da könnte ich schon ein mulmiges Gefühl bekommen. Das ist aber nicht direkt auf die Süchtigen bezogen. Es ist mir allgemein unangenehm, in der Nacht alleine Fremden zu begegnen.» Dies könnte dann halt öfters vorkommen.

Stadtgärtler haben noch keine Erfahrung mit Angebot

Doch wie sehen es die allfälligen Nutzerinnen und Nutzer des Konsumraums? Im Stadtgarten wollte niemand vor die Kamera. FM1Today konnte aber mit mehreren Drogenkonsumierenden ein Gespräch führen. Auch sie finden, dass es dieses Angebot dringend brauche. Doch werden sie es auch nutzen? «Ich denke, dass der Grossteil hier das Angebot in Anspruch nehmen wird – vor allem, wenn die Polizei hier dann noch öfters vorbeischaut», sagt uns einer.

Ein anderer sagt, dass es dann vor allem im Winter wichtig sei, dass es einen solchen Ort gibt. Zudem sehen sie vor allem die Anlaufstelle als Gewinn: «Die Streetworker, die hier bereits im Stadtgarten unterwegs sind, helfen uns sehr. Wenn wir weitere solche Angebote in Anspruch nehmen können, hilft das sicher einigen.» Doch nicht alle sehen das so. So findet ein weiterer Drogenkonsument: «Ich werde es weiterhin dort nehmen, wo es mir gefällt. Ein solcher Raum engt mich ein.»

Was aber alle im Stadtgarten sagen: Sie wissen nicht, was auf sie zukommt. «Bisher gab es solche Angebote nur in anderen Städten. Dort durften wir diese nicht Anspruch nehmen. Wir wissen also gar nicht, wie es dort zu und her geht.»

veröffentlicht: 6. Oktober 2023 14:14
aktualisiert: 6. Oktober 2023 14:14
Quelle: FM1Today

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