Das Salecina-Haus befindet sich im Oberengadin, dort, wo sich Superreiche in Luxushotels an Orten wie St.Moritz vergnügen. Das Salecina hebt sich aber deutlich von diesem Segment ab. Die Gäste zahlen pro Übernachtung - in der Hochsaison! - zwischen 44 und 77 Franken, je nach Kapazität der Gäste. Das ist das Konzept des Salecina: Jeder zahlt, wieviel er kann. Und es funktioniert: 15 Prozent mehr Übernachtungen im Vergleich zum 2014 konnte das Gästehaus letztes Jahr verbuchen.
Soziale Preisgestaltung
«Unsere Preisgestaltung ist sicher ausschlaggebend für den Erfolg», sagt Antonio Galli. Er ist einer der vier Betriebsleiter, die alle Teilzeit von der Stiftung Salecina angestellt sind. «Diese ermöglicht Menschen mit einem kleinen Einkommen Ferien in der Salecina machen können.» Die Gäste mit einem besseren Einkommen zahlen dann mit einem sogenannten Solidarpreis. «Man kann den Preis frei wählen». Und es funktioniert offenbar. Es sei immer schön und erstaunlich, auf den Abrechnungen zu sehen, dass viele Besucher gerne mehr zahlen.
Kochen für ein Gemeinschafts-Gefühl
Im Salecina wird ein Gefühl der Zusammengehörigkeit gefördert. Es gibt beispielsweise nur Mehrbettzimmer. Die Gäste kochen füreinander, es gibt kein Personal. Sind alle Schlafplätze besetzt, kocht man für 56 Personen. Keine leichte Aufgabe. «Das schafft eine Verbindung unter den Gästen. Sie haben von Anfang an regen Kontakt untereinander», sagt Galli. Es entstehe zum Teil auch Netzwerk, das über das Salecina-Haus hinausgehe. Die Leute kämmen miteinander in Kontakt, nicht so wie in gewöhnlichen Hotels. Dort sei man normalerweise eher für sich.
Gäste aus den Nachbarländern
Die meisten Gäste im Salecina kommen aus Deuschland, der Schweiz und Italien. Ein paar wenige reisen aus anderen europäischen Ländern wie beispielsweise Holland an. Von Familien mit Säuglingen bis zu 80-jährigen Gästen findet sich alles im Salecina. Es gibt laut Galli auch viele, die regelmässig wiederkommen, zum Teil mehrmals im Jahr.
Sozialistische Hochburg
«Von den Gründern kommt bereits das Konzept, dass alle Gäste mithelfen», sagt Galli. 1972 wurde das 300 Jahre alte Gebäude auf den Namen «Salecina» getauft und die glichnamige Stiftung gegründet. Das Gründerpaar Theo und Amalie Pinkus wollte aber nicht nur eine soziale Institution schaffen, sondern auch einen politischen Treffpunkt für Linke gründen. Das gefiel der Schweizer Bundespolizei gar nicht. «Salecina wurde vom Staat überwacht. Die Gäste wurden fichiert, Autonummern aufgeschrieben», erzählt Galli.
Der Staat war fleissig: «In 113 Listen wurden insgesamt 3605 mal die exakten Personalien von Gästen erfasst.» Das geht aus einem historischen Bericht über die Überwachung des Salecina hervor. Man hatte Angst, dass sich möglicherweise «deutsche Terroristen» in dem Haus aufhalten könnten. Heute sei Salecina immer noch ein politischer Ort. Ob immer noch eine Überwachung stattfindet, wisse er natürlich nicht. «Das wird die Geschichte in zwanzig Jahren zeigen», sagt er schmunzelnd.