Graubünden

Neues Wahlsystem bringt Spannung in Bündner Parlamentswahlen

· Online seit 24.04.2022, 10:14 Uhr
Die Bündner Wahlberechtigten bestellen am 15. Mai sowohl das Parlament als auch die Kantonsregierung neu. Die Wahlen werden in Graubünden mit Spannung erwartet: Der Grosse Rat wird erstmals nach einem neuen System gewählt und um die fünf Regierungssitze kommt es zu einer Kampfwahl.
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Der 120-köpfige Grosse Rat wird zum ersten Mal nach dem Proporz (Verhältniswahl) gewählt und nicht mehr nach dem Majorz (Mehrheitswahl). Der Proporz bricht mit der bisherigen «Persönlichkeits-Wahl» in den Talschaften.

Die Sitze werden neu zunächst gesamtkantonal auf die Parteien verteilt und erst danach auf Wahlkreise und Kandidierende. Das neue System soll die politischen Kräfteverhältnisse in Graubünden genauer abbilden als die bisherige Mehrheitswahl, welche auf die Wahlkreise fokussierte.

Für die Parteien zählt neu jede einzelne Wählerstimme. Darum bemühten sie sich, in allen Wahlkreisen Kandierende zu stellen und das in genügender Zahl. Mit 154 Frauen und 336 Männern und einer Person unbestimmten Geschlechts kämpfen um die 120 Sitze so viele wie noch nie.

Wie gross die Auswirkungen des Moduswechsels sein werden, ist wegen der Komplexität des Proporz-Systems schwer vorauszusagen. Die kleineren Parteien hoffen, mehr Gewicht zu erhalten. In Graubünden zählen dazu nebst den mandatslosen Grünen und der GLP (2 Sitze) auch SVP und SP mit aktuell 12 beziehungsweise 19 Sitzen. Die politischen Schwergewichte Mitte und FDP sehen sich jedenfalls gefordert, ihre 48 respektive 39 Mandate zu halten.

Gemäss einer repräsentativen Wahlumfrage von Somedia und Radiotelevisiun Svizra Rumantscha (RTR) könnte das Kalkül der «Kleinen» aufgehen. Prognostiziert werden beträchtliche Sitzverschiebungen. SVP und GLP würden demnach zu den grossen Siegern gehören, Mitte und FDP zu ebenso grossen Verlierern. SP und Grüne dürften sich auch auf Sitzgewinne freuen.

Eine relevante Verschiebung von «Gross» zu «Klein» lässt auch der Blick auf die Nationalratswahl 2019 als plausibel erscheinen. Als Proporzwahl bildet sie die Stärkeverhältnisse zwischen den Parteien ebenfalls gesamtkantonal ab. In der Tendenz waren die damaligen Parteistärken vergleichbar mit den nun vorausgesagten.

Hart umkämpfte Regierungssitze

Spannend sind auch die Regierungswahlen. Um die fünf Sitze in der Kantonsregierung kämpfen eine Frau und sechs Männer, darunter drei Bisherige. Wiedergewählt werden wollen Marcus Caduff (Mitte), Peter Peyer (SP) und Jon Domenic Parolini (Mitte). Während die ersten beiden dem Wahlsonntag entspannt entgegenschauen dürfen, gilt Parolini - wie schon vor vier Jahren - als Wackelkandidat.

Wegen Amtszeitbeschränkungen muss die Mitte-Partei ihren dritten Sitz in der Regierung verteidigen. Die Kastanien aus dem Feuer holen soll Carmelia Maissen, Gemeindepräsidentin aus dem Bündner Oberland. Als einziger Frau im Kandidatenfeld könnte ihr ein Geschlechterbonus zu Gute kommen. Für Parolini stellt sie eine interne Konkurrenz dar, zumal es der Partei schwer fallen könnte, alle drei Sitze zu halten.

SVP drängt in die Regierung

Zudem sind die Herausforderer stark. Die FDP versucht ihren ebenfalls frei werdenden Sitz mit Martin Bühler zu verteidigen, dem Leiter des kantonalen Führungsstabs. Dieser hat sich bei der Bewältigung der Corona-Pandemie einen Namen über die Kantonsgrenzen hinaus gemacht.

Neu in die Regierung drängt die SVP. Sie ist seit 2008 nicht mehr in der Exekutive vertreten und scheiterte bei Wahlen drei Mal. Im vierten Anlauf soll es Roman Hug richten. Als alt Parteipräsident, Grossrat und Gemeindepräsident von Trimmis gehört er im Bündnerland zu den bekanntesten SVP-Politikern.

Der siebte Kandidat, der 72-jährige Prättigauer Architekt Hans Vetsch, gilt als Aussenseiter ohne Chancen. Er stieg als Parteiloser mit nur geringer politischer Erfahrung erst spät in den Wahlkampf ein. Vetsch will mit seiner Kandidatur parteilosen Wählern eine Stimme geben.

veröffentlicht: 24. April 2022 10:14
aktualisiert: 24. April 2022 10:14
Quelle: sda

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