Vier Wochen ohne Massnahmen

Mehr Junge und stark Betrunkene: So geht es den St.Galler Clubs

· Online seit 17.03.2022, 06:45 Uhr
Vor rund einem Monat hat der Bundesrat die meisten Coronamassnahmen aufgehoben – zur Freude vieler, vor allem auch der Gastro- und Clubszene, die seither wieder deutlich mehr Gäste begrüssen darf. Um alle finanziellen Löcher zu stopfen, wird es aber noch dauern.
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Eine ganz andere Stimmung habe geherrscht, am ersten Wochenende nach der Aufhebung der meisten Coronamassnahmen am 16. Februar 2022, sagt Marc Frischknecht. Er ist Vorstandsmitglied von Nachtgallen, der Interessensgemeinschaft der St.Galler Clubs und Bars, und Mitinhaber der St.Galler Bar Oya.

Sowohl unter den Gästen als auch unter den Mitarbeitenden seien damals Erleichterung und Ausgelassenheit zu spüren gewesen. «Man hat das extrem gemerkt. Zum Beispiel, dass die Maskenpflicht im Stehen weggefallen ist und man die Gesichter gegenseitig wieder gesehen hat. Das ist eine ganz andere Art von Bar- und Clubbetrieb», sagt Frischknecht. Der Wegfall der Massnahmen habe auch für einen Schub an Gästen am ersten Wochenende gesorgt.

Diesen beobachtete auch Markus Härtsch, Geschäftsführer des St.Galler Clubs Ivy. «Am Anfang hatten wir noch sehr viele Gäste aus Österreich, Deutschland und Liechtenstein, da dort die Massnahmen noch länger anhielten», sagt er. Das habe sich nun eingependelt, die ausländischen Besucherzahlen seien jetzt wieder stark zurückgegangen. Stattdessen kämen nun wieder mehr lokale Gäste ins Ivy.

Mehr junge und stark betrunkene Gäste

Mittlerweile finden nicht nur andere Leute den Weg in den Ausgang, diese verhalten sich auch unterschiedlich. «Es fällt auf, dass wir mehr stark Alkoholisierte unter unseren Gästen haben», sagt Härtsch. Ein möglicher Grund für die Vieltrinkerei: «Es gibt aktuell natürlich viele junge Menschen, die das erste Mal mit der Ausgangszene in Kontakt kommen und noch nicht wissen, wie sie mit damit umgehen müssen.»

Im BBC in Gossau haben die Betreiber ebenfalls Verhaltensänderungen beobachtet. Während sich im Dezember häufiger der Frust über die Coronamassnahmen bei den jungen Gästen entlud und diese deswegen mehr Sachbeschädigungen verursachten, hat sich die Lage vier Wochen nach dem Wegfall der Massnahmen beruhigt. «Wir haben Ende 2021 festgestellt, dass öfter Inventar beschädigt wurde. Dass ein Spiegel zerschlagen oder Wasserhähne ausgerissen wurden», sagt Mediensprecherin Rita Bolt. Gar Fernseher seien demoliert worden. Da mittlerweile wieder unbekümmerter und ausgelassener gefeiert werden kann, seien solche Wutausbrüche zurückgegangen, so die Einschätzung von Bolt.

«Braucht Jahre, um wieder dorthin zu kommen, wo wir waren»

Unumstritten ist auch, dass die letzten vier Wochen den Betrieben finanziell gut taten. Ganz wie zu Zeiten vor Corona ist die Lage dennoch nicht. «Auch jetzt haben noch viele Leute Corona. Und das spürt man», sagt Oya-Betreiber Marc Frischknecht.

Und ebenso gilt: Gewisse finanzielle Narben hat die Pandemie auf jeden Fall hinterlassen. Das BBC feierte vor wenigen Tagen das 20-Jahr-Jubiläum. Und ausgerechnet jetzt hat das Lokal am Gossauer Bahnhof erstmals in seiner Geschichte – abgesehen von den letzten zwei Jahren – nicht während sieben Wochentagen offen. Am Sonntag und Montag bleibt es jeweils zu. Die Gründe: die wirtschaftliche Lage wegen der Pandemie und Personalmangel – ebenfalls eine Folge der Pandemie, welche die Gastronomie schon länger vor Probleme stellt.

Für die Betreiber des BBC ist, trotz der jüngst wieder guten Gästezahlen, klar: «Wir brauchen Jahre, um wieder dorthin zu kommen, wo wir waren», so Rita Bolt.

Die Pandemie hatte tatsächlich auch einige positive Aspekte

Die vergangenen zwei Jahre waren für Restaurants, Clubs und Bars zweifelsohne eine schwere Zeit. Doch Marc Frischknecht ringt dieser auch einige positive Aspekte ab: «Wir haben gelernt zu sparen, mit sehr wenig Aufwänden durchzukommen. Wir waren in diesen zwei Jahren gezwungen, alles zu hinterfragen und durchzugehen, um zu schauen, ob es irgendwo noch Einsparpotenzial gibt. Das bringt einem sicher auch jetzt etwas.»

Das gelte auch für den Zusammenhalt in der Branche. Während in der Gesamtbevölkerung die vielzitierte Spaltung der Gesellschaft um sich griff, rückten die Gastrobetreibenden näher zusammen. «Wir haben uns praktisch wöchentlich per Zoom ausgetauscht», sagt Frischknecht. Diesen Austausch will er nun, wenn auch vielleicht nicht mehr in der gleichen Intensität, weiterhin pflegen.

Momentan keine Angst vor neuen Massnahmen

Nach dem Rückblick der Ausblick: Die Coronazahlen steigen seit etwa zwei Wochen wieder, vermutlich auch eine Folge des Massnahmenwegfalls. Beobachtet man die Entwicklung in der Clubszene bereits wieder mit Sorge? «Die letzten zwei Jahre haben gezeigt, dass nichts sicher ist. Man hat diese Entwicklung natürlich im Hinterkopf. Aber unsere Devise ist im Moment, dass wir den Betrieb normal führen, wenn wir können», so Frischknecht. Was in zwei Monaten oder im Herbst ist, könne man nicht beeinflussen. Aber natürlich plane man sehr viel kurzfristiger als früher. «Ich würde jetzt noch überhaupt nichts für den Herbst planen und glaube auch nicht, dass andere das tun.»

Auf das BBC in Gossau trifft das zu. «Wir denken nicht in Szenarien, was sein könnte, wenn es doch wieder Massnahmen geben sollte», so Rita Bolt. Man sei in der Lage, dann kurzfristig und flexibel zu reagieren. Zudem sei die Sorge, dass es nochmals zu Einschränkungen kommen könnte, derzeit nicht vorhanden.

Die Zuversicht ist zurück

Nach Monaten – oder gar Jahren – der Ungewissheit und Verunsicherung, scheint in der Ostschweizer Gastronomie also endlich wieder Zuversicht beim Blick in die Zukunft zu überwiegen. BBC-Sprecherin Bolt sagt denn auch: «Wir sind überzeugt, dass eine gute Zeit vor uns liegt, die uns dahin bringt, wo wir vor zwei Jahren waren.» Und auch Markus Härtsch vom Ivy ist positiv gestimmt: «Ich bin zuversichtlich, dass wir die doch herausfordernden zwei Jahre ausgleichen und hinter uns lassen können.»

veröffentlicht: 17. März 2022 06:45
aktualisiert: 17. März 2022 06:45
Quelle: FM1Today

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