Aus der braunen Spur wird die Umfahrung

20.11.2018, 09:48 Uhr
· Online seit 20.11.2018, 05:56 Uhr
Seit Ende August gleicht Wattwil einer Baustelle. An jensten Ecken im Dorf fahren Bagger auf, grosse braune Haufen prägen das Ortsbild und orange Männchen schwirren umher, als wäre ein Leuchtstift ausgelaufen. Die Umfahrung Wattwil befindet sich im Bau. Ein Besuch.
Lara Abderhalden
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Mit orangen Helmen und zu grossen orangen Westen um die Oberkörper stehen Gesamtprojektleiter Ruedi Vögeli und ich vor der Verzweigung «Brendi». Diese befindet sich nach dem letzten Tunnel in Wattwil auf der linken Seite, wo die Strasse anschliessend Richtung Ricken führt. Hier beginnt die Umfahrung Wattwil. Wir beobachten, wie die Autos am Lichtsignal stehen, es sind bereits am frühen Nachmittag ziemlich viele. «Hier erwarten wir während der Bauarbeiten das grösste Puff», gesteht Ruedi Vögeli und fügt hinzu: «Wir haben neun verschieden Phasen der Verkehrsführung.»

Strasse wird im Hang gebaut

Neun leicht abgeänderte Routen werden die Autofahrer in verschiedenen Phasen aus Wattwil oder Bütschwil in Richtung Ricken oder Wattwil führen, während die Umfahrung Wattwil entsteht. Die ersten Umleitungen gibt es laut Vögeli im Frühling: «Die bleiben dann ungefähr zwei Jahre.» So lange würden die Bauarbeiter brauchen, um bei der «Brendi», gleich nach dem Tunnel, einen Kreisel zu errichten.

«Sehen Sie diesen Starkstrommast dort? Dieser wird der Mittelpunkt des Kreisels. Schön, nicht?», ich nicke und denke an die vielen unnützen Kreisel, die es doch in der Schweiz gibt. Das Stück Land, auf dem der Kreisel entsteht, ist winzig: «Wir müssen einen Teil des Waldes abroden und die Strasse Richtung Ricken leicht nach oben verschieben», erklärt der Projektleiter. Die eigentliche Umfahrung komme dann im Hang zu stehen.

Es gebe «eine Art halbe Brücke», erklärt Ruedi Vögeli: «Ein Teil der Strasse wird frei in der Luft liegen, der andere Teil im Hang.» Vom Kreisel führt die Strasse in Richtung Ebnat-Kappel. Über die Thur wird eine grosse Brücke gebaut, welche die Strasse dann direkt mit der Umfahrung Ebnat-Kappel verbindet. Es ist, als hätte man mit einem Geodreieck zwei rechtwinklig zueinander stehende Linien verbunden. Statt um die Ecke kann man in Zukunft quer durch fahren.

Langlauf-Loipe wird angepasst

Bis es soweit ist, vergehen aber noch Jahre: «Wir hatten Glück, die ersten Bauarbeiten sind gut gelaufen und konnten dank des schönen Wetters schnell erledigt werden.» Diese Arbeiten bestanden darin, Humus und Muttererde auszuheben, damit im Winter mit den Bauten begonnen werden kann. Wir wechseln den Standort, gehen nun an den Schluss der Umfahrung - den Ort, an dem die beiden Umfahrungen Wattwil und Ebnat-Kappel irgendwann zusammen kommen. Dort wird als Erstes die Brücke über die Thur und die SOB-Bahnstrecke gebaut: «So müssen wir das Material nicht immer durch das ganze Dorf fahren», erklärt Ruedi Vögeli.

Vom Brückenbau wird die Bevölkerung, insbesondere der Autofahrer an sich, nicht viel mitbekommen. Der Ärger wird sich auf das Gebiet beim ersten Kreisel und in der Scheftenau beschränken. In der Scheftenau, einem Wattwiler Quartier, wird die Umfahrung in Form eines Tunnels auftreten. Der Tunnel (rund 300 Meter lang) befindet sich im Lochweidli. Die Scheftenauerstrsse wird mittels Unterführung unterquert. In der Scheftenau wird es deshalb zweitweise ein Lichtsignal geben. Ausserdem muss die Langlaufstrecke, die im Winter durch die Scheftenau führt, leicht angepasst werden.

«Ich habe nicht gewusst, dass durch unsere Bauzone eine Langlauf-Loipe führt. Darüber wurde ich von einer Person, die Einsprache erhob, informiert», sagt Ruedi Vögeli. Er habe aber sogleich Kontakt mit allen Beteiligten aufgenommen. Eine Stelle bei einem Bach müsse vermutlich leicht verschoben werden, ansonsten könne die Loipe diesen Winter so präpariert werden wie immer.

50 Einsprachen eingegangen

Der Einwand mit der Langlauf-Loipe war nicht der einzige, den Ruedi Vögeli und sein Team zu hören kriegten. Es gebe wie immer bei Bauprojekten auch in diesem Fall Personen, die keine Luftsprünge beim Gedanken an die Umfahrung machen. «Wir haben eine Person, die arbeitet nachts und will den Tag durch schlafen, kann dies aber wegen des Lärms nicht. Wir haben klare Arbeitszeiten, natürlich tagsüber, die wir einhalten müssen. Sobald irgendwo in der Schweiz gebaut wird, erwischt es immer jemanden, der keine grosse Freude hat.»

Alles in allem würden sich die bösen Nachrichten aber in Grenzen halten. Anfangs habe es 50 Einsprachen gegeben, wovon vier bis vor Bundesgericht gezogen wurden. Dieses entschied sich dann aber zugunsten des Kantons. «Es sind ja nicht wir, die die Umfahrungen unbedingt wollen. Es sind die Gemeinden, die auf uns zukommen und wir offerieren Lösungen, die mit der Umwelt am besten zu vereinbaren sind», sagt Vögeli.

Grosses Interesse an der Baustelle

Wir sind am Schluss der Umfahrung angekommen. Meine Augen versuchen, der braunen Spur in der Landschaft zu folgen, ein Gesamtbild der Umfahrung zu erhalten. Sie bleiben bei meinem Elternhaus stehen, das sich in unmittelbarer Nähe der Umfahrung, in der Scheftenau, befindet.

«Gibt es viele Menschen, die sich für die Baustelle interessieren?», frage ich Ruedi Vögeli und denke dabei an meinen Vater, der sich die Baustelle regelmässig anschaut. «Sehr viele», antwortet er, die Webseite der Umfahrung Wattwil werde immer wieder aufgerufen, obwohl sie noch gar nicht fertig gestellt sei. «Bei der Webseite der Taminabrücke haben wir mehr Aufrufe als bei der Webseite des Kantons St.Gallen.» Deshalb sei, wie schon in Bütschwil, wieder eine Baustellenbegehung geplant. «Die Gespräche dafür laufen.»

Für Ruedi Vögeli sind die Umfahrungen Bütschwil und Wattwil grosse Projekte, sein Plan sei es einmal gewesen, vor seiner Pensionierung von Bazenheid bis Neu St.Johann auf der Umfahrung zu fahren - als Projektleiter werde er dies wohl nicht mehr tun, sagt der 62-Jährige. Privat freue er sich aber auf das Jahr 2022, wenn die Umfahrung Wattwil eröffnet wird.

veröffentlicht: 20. November 2018 05:56
aktualisiert: 20. November 2018 09:48

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