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Grüngutabfuhr in der Stadt St.Gallen als Pflicht? Der Stadtrat hält wenig von der Idee

Abfalltrennung

Grüngutabfuhr in der Stadt St.Gallen als Pflicht? Der Stadtrat hält wenig von der Idee

· Online seit 11.02.2023, 09:09 Uhr
Links-Grün fordert, dass die Grüngutabfuhr in der Stadt St.Gallen zur Pflicht wird. Der Stadtrat lehnt eine Pflicht ab. Für Einwohnerinnen und Einwohner in der Altstadt hat er bereits eine Lösung parat.
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SP-Stadtparlamentarierin Lydia Wenger kennt es aus eigener Erfahrung: Ihre Verwaltung lehnte ein Grüngutabo ab. «Ich argumentierte und setzte mich ein, aber ohne Erfolg», sagt sie. Anderen aus ihrem Umfeld sei es genauso gegangen. Dabei sei das Potenzial gross, wie sie gegenüber dem «St.Galler Tagblatt» mitteilt.

Die Küchenabfälle werden zu Biogas, Ökostrom oder Naturdünger. Ausserdem spare es Kosten, wenn Speisereste und Rüstabfälle nicht im gebührenpflichtigen Abfallsack landen, sagt Wenger. Die Sammelmenge müsse steigen, stärker als sie das derzeit tue, auch der Umwelt zuliebe. Aus diesem Grund reichten die Fraktionen von SP/Juso/PFG, GLP/JGLP sowie Grünen/Jungen Grünen im Herbst eine Motion ein. Das Ziel: eine Grüngut-Pflicht. Nun hat der Stadtrat seine Antwort vorgelegt.

Stadtrat setzt auf Information und Aufklärung

Wird die Motion erheblich erklärt, muss der Stadtrat das Abfallreglement ändern. Eigentümerinnen und Eigentümer von Liegenschaften würden zur Grünabfuhr verpflichtet – ausser, es gibt bereits einen Kompost. Wenig überraschend: Der Stadtrat lehnt die Motion ab. In seiner Antwort beantragt er dem Stadtparlament, den Vorstoss nicht erheblich zu erklären. Das Problem, dass manchen Mieterinnen und Mietern die Grüngutabfuhr verwehrt bleibt, sei bekannt. Die Stadtregierung möchte aber gemäss ihrer Antwort nicht auf Zwang setzen, sondern auf Information.

Die Grüngutberaterin von Entsorgung St.Gallen gehe proaktiv auf Verwaltungen zu. Auch Infoanlässe für Mieterinnen und Mieter wurden schon organisiert, um die richtige Trennung zu erklären. Das Vorgehen sei relativ aufwendig, schreibt der Stadtrat. Es führe aber zu motivierten Mieterinnen und Mietern, die aktiv Grüngut sammeln würden.

Bis 2030 sollen rund 20'000 Haushalte die Grüngutabfuhr nutzen können. Ende 2022 waren es 12'991 Haushalte. Zuletzt wuchs die Zahl langsamer. Dazu schreibt der Stadtrat, die Startphase mit starkem Wachstum sei vorbei. Die Zahl der angeschlossenen Haushalte steige aber stetig. Vermehrt würden auch grössere Liegenschaftsverwaltungen Abos abschliessen. «Die Bestrebungen der Grüngutberatung zeigen erfreulicherweise Früchte.»

Manche Verwaltungen lehnen Grünabfuhr ab

Dieses Vorgehen unterstützen die Motionärinnen und Motionäre, sagt Sozialdemokratin Lydia Wenger. Die Stadt leiste gute Arbeit. Trotzdem solle das Wachstum beschleunigt werden. Nicht alle Verwaltungen seien gegenüber der Grüngutabfuhr offen. Nicht alle Mietenden wüssten von der Möglichkeit.

In ihren Augen gibt es nichts, was gegen die Grüngutsammlung spricht. Gestank? Die Container würden regelmässig gereinigt. Ratten? Die Container sind geschlossen. Mehraufwand? «Die Verwaltung muss einmal im Jahr eine Rechnung zahlen. Die Abo-Kosten werden in der Regel über die Nebenkosten an die Mietenden abgegeben.» Es bleibt einzig die Frage, wer den Container jeweils an den Strassenrand stellt.

Die Stadt jedenfalls beurteilt ihren Weg als erfolgreich. 2022 habe man mit einer «bedeutenden Immobilienverwaltung» ein Pilotprojekt mit 77 Haushalten gestartet. Aufgrund der positiven Rückmeldungen wurde im Dezember eine weitere Liegenschaft mit 88 Haushalten angeschlossen.

Gegen eine Containerpflicht wehrt sich der Stadtrat aber auch wegen der Eigentumsfreiheit. Die Zulässigkeit einer Pflicht müsste rechtlich geprüft werden, schreibt er. Auf jeden Fall bräuchte es eine gesetzliche Grundlage. Dazu sagt Wenger: «Genau deshalb haben wir eine Motion eingereicht. Um die gesetzliche Grundlage zu schaffen.»

Öffentlicher Grüngutcontainer in der Altstadt geplant

Manchmal fehlt aber auch schlicht ein Platz für einen Container, gerade in der Altstadt. An solchen Lagen möchte der Stadtrat prüfen, Grüngutbehälter auf öffentlichem Grund aufzustellen. Im Rahmen der Neugestaltung des Marktplatzes sei ein solcher Container geplant, schreibt der Stadtrat. Das bestätigt Roman Breda, Leiter Abfalllogistik. Vorgesehen sei ein Pilotprojekt mit einem Container, der im Boden versenkt ist.

Details sind noch unklar. Etwa ob Nutzerinnen und Nutzer für jeden Einwurf zahlen müssen oder pro Kilo Grüngut. Auch sind noch Gespräche mit Marktfahrerinnen und -fahrern geplant. Am Marktplatz habe ein öffentlicher Grüngutcontainer auch wegen der Märkte Potenzial, sagt Breda. Je nach Resultat des Projekts könnte der Behälter auch umgenutzt werden – zum Beispiel für Papier oder Karton.

Motion hat Chancen

Die Motion kommt voraussichtlich Ende Februar ins Parlament. Wenn sich Links-Grün entschliesst, sie erheblich zu erklären und die Fraktionen geschlossen dafür stimmen, hat der Vorstoss aufgrund der Mehrheitsverhältnisse Chancen.

Einen Schritt weiter ist Zürich. Dort ist die Containerpflicht beschlossene Sache. Die Menge an Bioabfall könnte dadurch von heute 15'000 auf 25'000 Tonnen im Jahr 2027 steigen. Dadurch würden 50 Prozent mehr Biogas produziert, schreibt der «Tages-Anzeiger». Zum Vergleich: 2021 gab es in Zürich 210’353 Haushalte. In St.Gallen waren es 37’853. Würden alle Stadtsanktgaller Haushalte Grüngut trennen, stiege die Sammelmenge – rein rechnerisch – auf 6435 Tonnen im Jahr. 2022 kamen bei den 12'991 Haushalten 2146 Tonnen zusammen.

veröffentlicht: 11. Februar 2023 09:09
aktualisiert: 11. Februar 2023 09:09
Quelle: St.Galler Tagblatt/Marlen Hämmerli

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