«Hatten pro Tag einen Ausweisentzug»

12.12.2018, 09:53 Uhr
· Online seit 12.12.2018, 05:36 Uhr
Wer geblitzt wird, ärgert sich. Doch es gibt gute Gründe, weshalb die Radare am Strassenrand stehen - sie sorgen für Verkehrssicherheit. Dies belegt die Statistik.
Lara Abderhalden
Anzeige

Es ist Nacht, die Strassen von Mols am Walensee wirken wie ausgestorben. Plötzlich donnert ein Auto im Mordskaracho durch das Dorf. Im Brief vom Strassenverkehrsamt wird später neben der Aufforderung zur Abgabe des Führerscheins die unglaubliche Geschwindigkeit von 111 Stundenkilometer stehen.

45 Ausweisentzüge in 48 Tagen

In Mols wurde eine Person geblitzt, die 111 Stundenkilometer schnell fuhr und somit doppelt so schnell, als erlaubt. Es ist die höchste Geschwindigkeitsübertretung in semistationären Messanlagen, die im vergangenen Jahr im Kanton St.Gallen gemessen wurde, aber lange nicht die einzige. «Fünf weitere Verkehrsteilnehmer wurden in Schmerikon, Rorschach, Balgach und Schwarzenbach mit Geschwindigkeiten zwischen 105 und 111 Stundenkilomtern innerorts geblitzt», sagt Hanspeter Krüsi, Mediensprecher der Kantonspolizei St.Gallen.

Diese Zahlen erstaunen sogar den langjährigen Polizei-Mediensprecher und auch ein weiterer Wert lässt Hanspeter Krüsi stutzen: «Bei der semistationären Anlage in Schmerikon, die 48 Tage an der Zürcherstrasse stand, wurden 45 Autos mit mindestens 30 km/h zu schnell gemessen. Sie begingen dadurch eine grobe Verkehrsregelverletzung, welche das Strassenverkehrsamt in der Regel mit einem Führerausweisentzug ahndet. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass jeden Tag, an dem der Blitzer dort war, jemand so schnell daran vorbei fuhr, dass er oder sie den Führerschein abgeben musste.» Allerdings sei der Radar in Schmerikon auch einer, den sehr viele Verkehrsteilnehmer täglich passieren.

Besonders viele blitzte es in Gams

«Man kann nicht sagen, dieser oder jener Blitzer ist besonders aktiv oder hat besonders viel Geld eingebracht. Dies muss immer auch in Relation zur Dauer des Einsatzes und zum Ort gesetzt werden. Ist er nur eine Woche an einem Ort, werden natürlich weniger Leute geblitzt.» Für Hanspeter Krüsi ist deshalb die interessanteste Zahl die Verzeigungsquote. Dieser Wert zeigt, wie viele Prozent der Autofahrer, die am Blitzer vorbei fuhren, zu schnell fuhren und geblitzt wurden.

Am höchsten ist dieser Wert bei einer semistationären Anlage in Gams. Beim Blitzer in Gams drückten fünf Prozent der Verkehrsteilnehmer zu spät auf die Bremse und bekamen dafür eine Busse oder gar einen Ausweisentzug. Den zweithöchsten Wert weist die Radaranlage in Schwarzenbach auf: Vier Prozent aller Verkehrsteilnehmer, die den Blitzer passierten, sahen das weisse Licht aufleuchten. In Schmerikon waren es drei Prozent.

Mehr Blitzer-Gesuche als Kapazität

Dass Blitzer in der Bevölkerung nicht so gut ankommen wie Gratis-Weggli, ist sich dem Mediensprecher bewusst und er gesteht: «Auch bei mir flattert im Jahr vielleicht eine Busse ins Haus, das ärgert auch mich. Es steigert bei mir aber auch das Bewusstsein, an dieser Stelle den Fuss vom Gas zu nehmen und dort sicher nicht mehr zu schnell zu fahren.» Dieses Verhalten würden übrigens auch Studien und Untersuchungen belegen: «Ein Blitzer hat eine längere Wirkung und man gewöhnt sich daran, an bestimmten Stellen abzubremsen.»

Die Geschwindigkeitsbegrenzungen seien keine Erfindung der Polizei. Es sind verschiedene Faktoren, die entscheiden, in welchen Bereichen, in welchen Regionen, welche Geschwindigkeit angemessen ist: «Es gibt Vorschriften. Es muss beispielsweise berücksichtigt werden, ob es überbautes Gebiet ist, in der Nähe Bäume hat, wie breit die Strasse ist, ob es einen Fussgängerstreifen hat und so weiter», erklärt Krüsi. Viele Faktoren zusammen entscheiden, ob es nun einen 80er- oder 50er-Bereich gibt.

Des Weiteren entscheidet die Polizei nicht alleine, wo Radaranlagen aufgestellt werden. Die Gemeinden kommen auf die Polizei zu: «Wir haben mehr Gesuche für Geschwindigkeitskontrollen, als wir effektiv Kapazitäten haben.»

Garagen lassen Autofahrer bremsen

Warum gewisse Anlagen besonders viele Autofahrer erwischen und andere kaum blitzen, habe unterschiedliche Gründe, die Hanspeter Krüsi auch nicht alle kennt. Er kann nur mutmassen:  «Studien und Untersuchungen zeigen, dass beispielsweise die Übersichtlichkeit eine Rolle spielt und auch die Helligkeit oder der Standort des Blitzes. Wenn nebenan eine Autogarage steht, sind die Verkehrsteilnehmer eher abgelenkt und fahren schneller oder aber sie wollen sich das genauer ansehen und fahren langsamer. Es gibt fast für jede Verhaltensmassnahme eine Regel, die eintreten kann.»

Der zu Beginn erwähnte Autofahrer, der doppelt so schnell als erlaubt durch Mols bretterte, musste seinen Führerausweis abgeben. Es wird lange dauern, bis er wieder ein Fahrzeug lenken darf. Sollten wir nicht alle glücklich sein darüber? Manchmal führt der Weg zum Wohl und zur Sicherheit aller, nicht an einer Geschwindigkeitsbusse vorbei.

veröffentlicht: 12. Dezember 2018 05:36
aktualisiert: 12. Dezember 2018 09:53
Quelle: abl

Anzeige
Anzeige