St.Gallen

Schüler fordern Fernunterricht und bleiben zu Hause

18.01.2021, 20:19 Uhr
· Online seit 18.01.2021, 18:33 Uhr
«Empörend und unverständlich»: Die Schülerschaft der St.Galler Kantis und Berufsschulen müssen nach zwei Wochen Fernunterricht wieder in die Schule und dies genau dann, wenn die Schweiz in einen Shutdown geht. Am GBS St.Gallen fordert ein Teil der Schüler Fernunterricht und blieb am Montag auch gleich zu Hause.
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«Wir wollen gehört werden», sagt eine Berufsmatura-Schülerin des Gewerblichen Berufs- und Weiterbildungszentrums St.Gallen (GBS). Sie hat sich zusammen mit ihren Klassenkollegen am Wochenende mit einem Schreiben an die Schulleitung gewandt, mit der Forderung, im Fernunterricht bleiben zu dürfen. Die Rückkehr zum Präsenzunterricht in der momentanen Situation sei «empörend und unverständlich». «Während in der Schweiz Homeoffice-Pflicht herrscht, müssen wir wieder mit zwanzig anderen Schülerinnen und Schülern in ein Klassenzimmer sitzen», sagt sie zu FM1Today. Doch genau das hat sie am Montag nicht getan. «Ein grosser Teil meiner Klasse ging nicht in die Schule und ich weiss von mindestens einer weiteren Klasse, die den Präsenzunterricht verweigert hat.»

Daniel Kehl, Rektor des GBS, kann nicht konkret sagen, wie viele Lernende am Montag den Präsenzunterricht verweigert haben. Die Schule zählt derzeit über 4500 Schülerinnen und Schüler, dazu kommen noch über 1000 Studierende in einer Weiterbildung. Dass es Widerstand gegen die Wiederaufnahme des Präsenzunterrichts gibt, bestätigt er: Die Schulleitung hat seit Freitag, als das kantonale Bildungsdepartement entschieden hat, wieder mit dem Präsenzunterricht fortzufahren, zahlreiche Mails und Anrufe erhalten. «Die Schülerschaft setzt sich aus verständlichen Gründen für den Fernunterricht ein», sagt Daniel Kehl. «Wir nehmen uns dem Thema an.»

«Wollen unsere Familien nicht gefährden»

«Wir haben alle Familien zu Hause und wohnen zum Teil auch mit Risikopatienten zusammen, da ist es klar, dass wir das Virus nicht nach Hause bringen wollen», sagt die Berufsmaturaschülerin. Seit die britische Virusmutation im Umlauf ist, hat sich diese Gefahr tatsächlich stark erhöht.

Doch da ist noch ein weiterer Punkt: Die Qualität des Fernunterrichts hat seit letztem Frühling stark zugenommen. «Das haben uns erfreulicherweise zahlreiche Lernende bestätigt», sagt Kehl. Dies sei ein weiterer Grund, weshalb der Fernunterricht für viele in der aktuellen Situation naheliegend sei.

Kehl gibt jedoch zu Bedenken: Gerade an einer Berufsschule wie dem GBS sei die Diversität der Schüler sehr gross. «Die einen brauchen persönliche Betreuung, andere, wie zum Beispiel Berufsmaturanden, könnten ohne Bildungseinbussen weiterhin im Fernunterricht bleiben.» Für ihn liegt die Lösung dazwischen. «Mit differenzierten Massnahmen, die auf die Unterschiede Rücksicht nehmen, könnte ein Teil der Schülerschaft in die Schule kommen und ein Teil zu Hause bleiben», sagt Kehl.

St.Galler Bildungsdepartement hält am Präsenzunterricht fest

Doch letztlich sind den Schulen die Hände gebunden, der Kanton St.Gallen ändert vorderhand nichts: «Zurzeit hält das Bildungsdepartement – wie die Bildungsdirektionen der anderen Kantone – am Entscheid für Präsenzunterricht fest. Die Lage wird weiterhin genau beobachtet», teilt das St.Galler Bildungsdepartement auf Anfrage am Montagnachmittag mit. Ob der Bundesrat der Sekundarstufe II, also den Kantons- und Berufsfachschulen, Fernunterricht verordnen wird, zeigt sich am Mittwoch.

Bis dahin wird der Widerstand in der Schülerschaft gegen den Präsenzunterricht wohl noch weiter wachsen. Was aber nicht heisst, dass nicht gelernt wird: «Mehrere Lehrer haben uns am Unterricht teilhaben lassen, indem sie uns online zugeschaltet haben oder uns Aufgaben gegeben haben», sagt die Berufsmaturaschülerin. Spätestens seit den Herbstferien, seit immer wieder Lernende in der Quarantäne sind, ist der Hybrid-Unterricht für die Lehrerschaft am GBS nichts Aussergewöhnliches mehr.

«Wer fällt solche Entscheide?»

Nach Veröffentlichung des Textes hat sich ein Lernender einer weiteren Berufsschule, des BZGS in Rheineck – dem Kompetenzzentrum für Gesundheits-, Sozial- und Hauswirtschaftsberufe – bei uns gemeldet. «Wir arbeiten alle im Hochrisiko-Bereich in Wohnheimen oder Wohngruppen und Heilpädagogischen Schulen mit beeinträchtigten Menschen. Auch wir haben heute Montag einen Streik eingelegt.» Die Gefahr, Klienten anzustecken, schätzt dieser Schüler als zu hoch ein.

Die Schule fordere aber Präsenzunterricht: «Während die Schweiz Homeoffice hat, sollen wir als Erwachsene die Schulbank vor Ort drücken mit 25 Personen in einem Schulzimmer, Schulter an Schulter? Wir verstehen das nicht. Wer fällt solche Entscheide?» Auch dieser Auszubildende führt an, dass das Niveau im Fernunterricht zugenommen hat.

veröffentlicht: 18. Januar 2021 18:33
aktualisiert: 18. Januar 2021 20:19
Quelle: FM1Today

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