Bei Corona-Infektion

Streithahn bespuckt Polizisten – Bagatelle oder Körperverletzung?

· Online seit 22.04.2020, 05:33 Uhr
Es kommt immer wieder vor, dass Polizisten angehustet oder angespuckt werden – wie bei einem aktuellen Fall in Rorschacherberg. Dies kann eine Infektion mit dem Coronavirus zur Folge haben. Für den Täter droht dann eine Verurteilung wegen Körperverletzung.
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Der Nachbarschaftsstreit in Rorschacherberg am Montagabend war eigentlich schon erledigt, als die Polizei eintraf. Einer der Streihähne informierte danach aber doch noch die Polizei. «Es war eine kleine Angelegenheit, trotzdem hören wir uns in solchen Fällen immer beide Seiten der Geschichte an», sagt Florian Schneider, Mediensprecher der St.Galler Kantonspolizei.

Bei der Befragung des zweiten Beteiligten eskalierte der Einsatz allerdings. Der 55-Jährige verhielt sich aggressiv und tobte derart, dass ihm die Polizisten Handschellen anlegen mussten. Der Mann beruhigte sich durch die Massnahmen aber nicht. Er begann gar damit, die Beamten anzuspucken.

Kommt häufiger vor

Einer der Beamten wurde dabei im Gesicht getroffen. «Das kommt relativ oft vor», sagt Florian Schneider gegenüber FM1Today. Die Polizisten hätten für solche Fälle extra Spucknetze dabei, um sie den arretierten Personen anzulegen.

Obwohl es sich dabei um ekelhaftes Benehmen handelt, zeigt Schneider fast etwas Verständnis: «Viele Personen sind in einer solchen Situation derart ausser sich, dass sie nicht mehr wissen, was sie tun.»

In der aktuellen Situation sind Spuckattacken auf Polizeibeamte – oder sonstige Personen – aber besonders verwerflich. Covid-19 wird durch Tröpfcheninfektion übertragen, gezielt abgefeuerte Spucke kann bei einer angesteckten Person also zu einem Infektions-Projektil werden.

Im vorliegenden Fall droht dem 55-jährigen Mann aus Rorschacherberg eine Verurteilung wegen «Gewalt und Drohung gegen Beamte». Theoretisch läge aber auch Körperverletzung drin.

Der Eventualvorsatz ist entscheidend

«Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Täter in so einem Fall wegen Körperverletzung verurteilt werden könnte», sagt Rechtsanwalt David Zünd von der St.Galler Kanzlei Amparo Anwälte und Notare.

Damit es zu einer Verurteilung kommen könnte, müsste ein Eventualvorsatz gegeben sein. Der Spucker müsste also zumindest in Kauf nehmen und auch für möglich halten, dass er den Polizisten durch seine Spucke mit dem Coronavirus infizieren könnte. In Zeiten, in denen es fast nur noch ein Thema gibt, wäre es zumindest denkbar, dass in einer Spuck-Attacke ein eventualvorsätzliches Verhalten gesehen werden könnte.

Ob ein Richter tatsächlich auf Körperverletzung entscheiden würde, sei jedoch schwierig abzuschätzen. «Der Richter würde hier vor ganz schwierige Fragen gestellt, auch weil man noch viel zu wenig über das Virus und seine effektive Gefährlichkeit weiss. Es stellt sich dabei die Frage, ob überhaupt eine Körperverletzung angenommen werden könnte», sagt Rechtsanwalt Zünd.

Einen Präzedenzfall gibt es bislang nicht, doch werde beispielsweise in Deutschland bei ähnlich gelagerten Fällen zumindest vereinzelt in diese Richtung ermittelt.

Spuck-Attacke gegen Beamten: Wohl kein Unterschied beim Strafmass

Unklar ist auch, ob man von schwerer oder einfacher Körperverletzung ausgehen müsste. Bei den meisten Krankheitsverläufen wohl eher letzteres. Werden Beamte, also beispielsweise Polizisten oder auch SBB-Billettkontrolleure, Opfer solcher Spuck-Attacken, so könnten die Folgen für den Täter ähnlich sein wie bei einer einfachen Körperverletzung. «Das Strafgesetzbuch kennt für die Tatbestände ‘einfache Körperverletzung’ und ‘Drohung und Gewalt gegen Behörden und Beamte’ die gleiche Strafdrohung (Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe)», sagt Rechtsanwalt Zünd.

Voraussetzung wäre, dass es überhaupt zu einer Anzeige wegen einfacher Körperverletzung kommt, denn dabei handelt es sich nicht um ein Offizialdelikt. Klar ist: Unter normalen Umständen – ohne Corona – könnte man den Tatbestand Körperverletzung bei einer Spuck-Attacke nicht in Betracht ziehen. «Für mich ginge das dann eher unter Beschimpfung, welche einen Angriff auf die Ehre des Opfers darstellt», sagt Rechtsanwalt Zünd.

Eine gewisse Gefährdung stellt das Spucken in diesen Zeiten also durchaus dar. Trotzdem nehmen die Fälle gefühlt eher zu als ab, sagt Florian Schneider von der Kantonspolizei St.Gallen. «Vielleicht fallen solche Fälle im Moment aber einfach mehr auf als sonst.» Im Alltag der Polizisten wird ein solches Verhalten leider auch nach der Krise noch vorkommen.

veröffentlicht: 22. April 2020 05:33
aktualisiert: 22. April 2020 05:33
Quelle: FM1Today

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