Walter Zoo

Tierfutter statt Training: Artisten auf Abwegen

· Online seit 04.10.2020, 07:11 Uhr
Drei Monate lang musste der Walter Zoo während des Lockdowns geschlossen bleiben. Dem Zoo geht es dank grosser Solidarität aus der Bevölkerung verhältnismässig gut. Eine besonders spezielle Zeit haben die Artisten des Zootheaters erlebt.
Nico Conzett
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Artistin Ronja Siewert und ihre Kollegen trainierten täglich für die neue Show im Zirkustheater des Walter Zoos, warfen sich unzählige Male die Keulen für die Jongliernummer zu und übten das gemeinsame Programm bis zur Perfektion. Im März, kurz vor der Premiere, beherrschten sie schliesslich alle Nummern auf Top-Level.

Doch dann kam der Lockdown, wie jede Veranstaltung in der Schweiz fiel auch die Zirkusshow dem Coronavirus zum Opfer.

Frust und berufliche Fragezeichen

Für die Strapaten-Artistin Siewert eine ziemlich belastende Situation. Zu Beginn des Jahres kam sie extra aus Deutschland für ihr Engagement im Walter Zoo in die Schweiz und hätte während acht Monaten Teil der Zirkusshow «Die Abenteuer von Igel Pix» sein sollen.

Da damals kaum absehbar war, wann es wieder möglich sein wird, grössere Veranstaltungen durchzuführen, entschied sich der Walter Zoo jedoch, die ganze Zirkusshow abzusagen und auf nächstes Jahr zu verschieben.

Das mussten die Artisten zuerst einmal verdauen. Einerseits war da der Frust über die Absage und damit «keine Auszeichnung, kein Lächeln, kein Applaus, nichts», wie Siewert sagt. Unzählige Trainingsstunden waren somit mehr oder weniger umsonst gewesen. Andererseits waren sie auch mit einer grossen Ungewissheit in beruflicher und damit finanzieller Hinsicht konfrontiert. «Zuerst war ja überhaupt nicht klar, wann man irgendwann, irgendwo auf der Welt wieder auftreten kann», so die 31-Jährige.

Tierfutter abpacken anstatt Training

Die finanziellen Sorgen erledigten sich für die Artisten des Walter Zoos aber glücklicherweise relativ schnell. Als Angestellte des Zoos konnten sie Kurzarbeitsentschädigungen beziehen, wofür Siewert sehr dankbar ist. Im Gegenzug arbeiteten die Artisten dafür anderweitig im Betrieb – statt Jongliertraining und Lufteinlagen an den Strapaten standen Verkehrsdienst auf dem Zooparkplatz und Tierfutter abpacken auf dem Programm.

Obwohl diese Arbeiten nicht besonders attraktiv sind, hätten sie und ihre Kollegen das sehr gerne angenommen. «Im Vergleich zu vielen Kolleginnen und Kollegen aus der Artistenszene waren wir dank des Angebots des Zoos sehr gut aufgestellt in dieser schwierigen Zeit.»

Erfreulich positives Fazit

Die Situation mit dem Lockdown war nicht nur für die Artisten sondern auch für den ganzen Zoo herausfordernd. Vor allem weil die Besucherinnen und Besucher die wichtigste Einnahmequelle für den Zoo sind und diese auf damals unbestimmte Zeit wegfiel. Das war insofern problematisch, als dass die Unterhalts- und Betreuungskosten für die Tiere im gleichen Umfang weiterhin anfielen. Trotzdem kann Zoodirektorin Karin Federer jetzt, sieben Monate nach dem Schockmoment, ein erfreulich positives Fazit ziehen.

Grosse Solidarität aus der Bevölkerung

Zwar habe besonders der Lockdown über drei Monate den Finanzen stark zugesetzt. Doch trotz der schwierigen Phase sagt Federer, dass sie die Zeit «relativ gut» überstanden hätten. Zu verdanken sei das vor allem der grossen Solidarität, welche der Zoo aus der Bevölkerung und aus dem Umfeld erfuhr.

Trotz der grossen Unterstützung von allen Seiten hofften die Zoobetreiber stets auf ein Ende des Lockdowns, um endlich wieder Besucherinnen und Besucher begrüssen zu können. Denn das sei letztendlich trotz allem die wichtigste und nachhaltigste Einnahmequelle, erklärt Federer.

Ausgezeichnete Besucherzahlen nach Wiedereröffnung

Und diese Einnahmequelle funktionierte nach der Wiedereröffnung hervorragend. Denn die Besucherzahlen waren durchwegs überdurchschnittlich, sogar als die Temperaturen ein wenig zu hoch für optimales «Zoo-Wetter» waren, sagt Federer: «Wir verzeichneten wohl einen Anstieg an Deutschschweizer Gästen, aber vor allem auch an französischsprachigen und solchen aus dem nahen Ausland.»

Aufgrund der starken Besucherzahlen zeigt sich Federer momentan «vorsichtig optimistisch». Denn gewisse Entwicklungen müssten im Moment trotzdem im Auge behalten werden, so sei es beispielsweise aktuell kaum möglich, Events durchzuführen wie Seminare von Unternehmen oder Gruppentouren im Zoo.

Nichtsdestotrotz sieht die finanzielle Lage momentan stabil aus, wie die Zoodirektorin sagt: «Dank der zahlreichen Unterstützung und den guten Besucherzahlen konnten wir die Einnahmen, welche aufgrund des Coronavirus fehlten, bisher kompensieren.»

Endlich wieder Auftritte für die Artisten

Ein grosser Lichtblick in dieser Hinsicht ist auch, dass das sogenannte «Tingel-Tangel-Variété» nun doch stattfinden kann. Da die Show normalerweise im Zoorestaurant gespielt wird, wo es relativ eng ist, suchten die Verantwortlichen nach Alternativen, da aufgrund der Abstandsregeln kaum eine rentable Vorführung mit genügend Gästen hätte durchgeführt werden können.

Nun hat der Zoo eine Lösung gefunden: In einem Spiegelzelt ausserhalb des Zoogeländes können die Shows sogar in einem grösseren Rahmen als gewohnt stattfinden – und damit können endlich auch die Artisten wieder ihrer normalen Arbeit nachgehen.

veröffentlicht: 4. Oktober 2020 07:11
aktualisiert: 4. Oktober 2020 07:11
Quelle: FM1Today

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