Unschuldige verhaftet: «Das kommt vor»
Die Staatsanwaltschaft hatte sich auf inkomplette DNA-Spuren gestützt, die in drei Einfamilienhäusern in Gossau, Arnegg und Engelburg gefunden worden waren. Die Diebstähle wurden am 29. Juni des letzten Jahres verübt, vermutlich durch die gleiche Person. Die Täterin oder der Täter durchsuchte sämtliche Räume und erbeutete Bargeld, Münzen, Schmuck und Fotokameras im Gesamtwert von 26‘700 Franken. Der Sachschaden betrug 2650 Franken.
Nach zwei Tagen entlassen
Nachdem die Polizei an den Tatorten die Spuren gesichert hatte, erstellten die Ermittler ein DNA-Profil. Aufgrund dieser Daten wurde die Genferin ermittelt. Das bedeutet, dass ihre DNA bereits im System erfasst war. Dies ist nur der Fall, wenn eine Person polizeibekannt ist.
Als die Frau am Flughafen verreisen wollte, klickten die Handschellen. Die Genferin wurde der St.Galler Staatsanwaltschaft übergeben. «Da kein besonderer Haftgrund wie Verdunkelungs- oder Fluchtgefahr bestand, wurde sie nach zwei Tagen wieder auf freien Fuss gesetzt», sagt Roman Dobler, Mediensprecher der St.Galler Staatsanwaltschaft.
Die 55-Jährige sei total geschockt gewesen, als sie sofort verhaftet, in Handschellen gelegt und in die Ostschweiz verfrachtet worden sei, erklärte sie laut dem «Tagblatt» am vergangenen Mittwoch am Kreisgericht St.Gallen. Wegen mehrfachen Diebstahls, Sachbeschädigung und Hausfriedensbruchs wurde sie per Strafbefehl zu einer bedingten Geldstrafe von 180 Tagessätzen à 30 Franken und einer Busse von 1000 Franken verurteilt. Die Frau erhob in der Folge Einsprache. Darauf überwies die Staatsanwaltschaft im März den Strafbefehl dem Gericht.
Inkomplette DNA-Spur nicht genug
Der Staatsanwalt habe sich lediglich auf die inkomplette DNA-Spur verlassen und keinerlei Anstrengungen unternommen, um Hinweise zur Entlastung der vermeintlichen Einbrecherin zu erhalten, sagte der zuständigen Richter laut dem «Tagblatt». Eine inkomplette DNA-Spur könne in Europa mehreren Personen zugeordnet werden und reiche nicht aus, einen Tatbeweis zu erbringen, argumentierte die Verteidigung.
Entlastende Hinweise kamen zu spät
Dabei hätte es mehrere Punkte gegeben, welche die Genferin hätten entlasten können: So beobachtete eine Zeugin an einem der Tatorte einen grauen Audi mit St.Galler Nummernschild. Weiter lag eine Quittung vor, die bezeugte, dass die Beschuldigte zum Tatzeitpunkt in Genf Medikamente abholte. Die Frau gab bei der gerichtlichen Befragung an, sie hätte zu der Zeit täglich ihre schwerkranke Mutter im Spital besucht. Wie Dobler erklärt, machte die Beschuldigte diese Umstände, insbesondere den Apothekenbesuch, erst acht Monate nach der Anklageerhebung geltend, daher hätte das Alibi nicht von der Staatsanwaltschaft überprüft werden können.
«Können Zukunft nicht voraussagen»
«Es kommt durchaus vor, dass sich der Tatverdacht während der Untersuchung einer Person nicht erhärtet», sagt Dobler. Zwangsmassnahmen wie eine Festnahme oder eine Hausdurchsuchung verhänge die Staatsanwaltschaft hin und wieder auch gegen Personen, die später freigesprochen werden. Es könne auch sein, dass eine Person vom zuständigen Zwangsmassnahmengericht in Untersuchungshaft versetzt und später freigesprochen wird. «Zu Beginn und auch während einer Untersuchung wissen wir nicht, wohin diese führt beziehungsweise wie das Gericht schliesslich entscheiden wird. Wir können die Zukunft nicht voraussagen.»
Pflicht, Hinweise zu prüfen
Wie oft aufgrund inkompletter DNA-Spuren Unschuldige festgenommen werden, weiss Roman Dobler nicht. «Dazu führen wir keine Statistik.» Es sei Aufgabe der Staatsanwaltschaft, Hinweisen zu möglichen Tatverdächtigen nachzugehen und diese im Zweifelsfall anzuklagen - auch wenn die Chance auf einen Freispruch besteht. Schliesslich entscheide ein Gericht selbständig, wie es die Beweise gewichtet.
Für die beiden Tage, welche die Genferin während der Untersuchungen in der Ostschweiz verbrachte, erhält sie 600 Franken Genugtuung. Wie das «Tagblatt» schreibt, fällt die Summe höher aus als üblich, weil die Frau am Flughafen einen Schock erlitten hatte. Wie sich die 600 Franken zusammensetzen, kann Dobler nicht sagen: «Das ist nicht mein Urteil» - die Höhe der Genugtuung liege im Ermessen des Gerichtes.
Urteil nicht rechtskräftig
Wird das Urteil in zehn Tagen rechtskräftig, ist das Verfahren um die Genferin abgeschlossen. «Wir haben keine Hinweise auf eine andere Täterschaft», sagt Dobler.