Bodensee

Boot-Boom: «Ich arbeite sieben Tage die Woche»

19.08.2020, 08:51 Uhr
· Online seit 18.08.2020, 16:59 Uhr
Das Erwerben eines Bootsführerscheins ist im Corona-Sommer bei vielen auf der Prioritätenliste hochgerutscht. Die Bootsfahrlehrer am Bodensee dürfen sich trotz verspätetem Saisonstart die Hände reiben – genauso wie Verkäufer von Occasionsbooten.
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«Mann über Bord!», tönt es vom Aussenbereich des Fahrschulboots, kurz darauf ist das Platschen des Rettungsreifens zu hören, der ins Wasser fällt. Der Reifen ist der Mann, das Ganze nur eines von vielen Manövern, welche ein Bootsführer beim Ablegen der Prüfung beherrschen muss.

Im Moment herrscht bei den Bootsfahrschulen am Bodensee Hochbetrieb. Da werden am Laufmeter 45-Grad-Buglandungen geübt, Palsteks geknotet und Navigationsübungen gepaukt. «So einen Ansturm habe ich noch nie erlebt», sagt Adi Hummer, Inhaber der Horner Bootsfahrschule Crazy Lobster Sailing GmbH.

Und bei Hummer will das etwas heissen, er ist seit über 30 Jahren Bootsfahrlehrer: «Momentan arbeite ich sieben Tage die Woche, von früh bis spät.» Der Grund ist schnell gefunden: Corona.

Aufgeschobenes wird jetzt erledigt 

Viele haben schon einmal mit dem Gedanken gespielt, das Segeln oder Motorbootfahren zu lernen. In vielen Fällen landet das aber auf einer ewigen To-Do-Liste, die irgendwann in einer Schublade verschwindet.

Dass viele nun lernen möchten, ein Boot zu bedienen, wird durch verschiedene Faktoren begünstigt, wie Marc Meyer, Leiter Projekte beim Dachverband der Bootsfahrschulen, auf Anfrage sagt: «Viele Leute haben Zeit, sind vielleicht in Kurzarbeit. Das Reisen fällt mindestens dieses Jahr weg, der See rückt in den Fokus. Und das auch für die Zukunft.»

Meyer ist selbst Segellehrer bei der Bootsfahrschule Nautic Corner in Arbon. Auch dort sei die Zunahme an Schülern spürbar. Das kommt ziemlich unverhofft: Die Fahrschulen durften den Betrieb erst am 11. Mai aufnehmen, der Einstiegsmonat April fiel damit weg. «Den Ausfall dürften aber alle Bootsfahrschulen locker kompensieren können», sagt Meyer.

Jetzt ist die Zeit, dein Boot zu verkaufen

Auswirkungen hat der Böötli-Boom auch auf den Occasionsmarkt. Mit mehr Inhabern von Bootsführerausweisen steigt der Wunsch nach eigenem Bootsbesitz. «Wir haben alle unsere Occasionen verkauft», sagt Barbara Bosshart, Marketingverantwortliche der Pro Nautik AG in Romanshorn.

Zwar ist Pro Nautik nicht auf den Occasionshandel spezialisiert, doch die Nachfrage übersteige das Angebot derzeit bei weitem. «Der Occasionsmarkt ist ausgetrocknet», sagt Bosshart. Dies sehe man auch abseits der offiziellen Händler – etwa auf Tauschbörsen, wo derzeit auch einfachste Boote zu Höchstpreisen gehandelt würden.

Von anderer Seite heissts es, man könne im Moment absolut alles verkaufen, was schwimmt.

Bootsplätze schränken das Wachstum ein 

Zwar herrscht derzeit grosse Nachfrage nach Occasionsbooten, doch deswegen dürfte der Platz auf dem See nicht auf einmal Mangelware werden. Grund dafür sind die Platzbedingungen in den Häfen: Es gibt nur eine beschränkte Anzahl Liegeplätze – und die sind grösstenteils besetzt.

Die Menge an neuen Freizeitkapitänen und die damit verbundene Lust auf Seeausflüge (zumindest in der Anfangsphase) könnte kurzzeitig zwar zu einer höheren Bootsdichte auf dem Bodensee führen, auf lange Sicht dürfte sich aber nicht viel ändern.

Dass die Nachfrage nach Ausbildungen in nächster Zeit bereits wieder abnimmt, davon geht zumindest Adi Hummer nicht aus. «Nächstes Jahr dürfte es nochmals ähnlich werden», schätzt der Fahrlehrer.

veröffentlicht: 18. August 2020 16:59
aktualisiert: 19. August 2020 08:51
Quelle: FM1Today

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