Bezirksgericht Frauenfeld

«Fall Hefenhofen» geht in die nächste Runde: Alles zum Prozess

24.01.2024, 10:37 Uhr
· Online seit 24.01.2024, 05:58 Uhr
Der «Fall Hefenhofen» ist noch nicht abgeschlossen. Am Mittwoch beginnt ein weiterer Prozess. Angeklagt am Bezirksgericht Frauenfeld sind der ehemalige Kantonstierarzt Paul Witzig und drei weitere Personen. Welchen Vorwürfen sie sich stellen müssen, erfährst du hier.
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März 2023: Ulrich K., vorbestrafter Tierquäler, muss sich vor dem Bezirksgericht Arbon den Vorwürfen im «Fall Hefenhofen» stellen. Das Urteil ist milde. Weder eine unbedingte Gefängnisstrafe noch ein Tierhalteverbot wurden gegen ihn ausgesprochen. Der Fall war damit aber noch nicht abgeschlossen. Ab Mittwoch müssen sich weitere involvierte Akteure vor Gericht verantworten. FM1Today beantwortet die wichtigsten Antworten zum Prozess.

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Wer ist angeklagt?

Angeklagt sind vier Personen. Das Hauptaugenmerk dürfte dabei auf dem ehemaligen Thurgauer Kantonstierarzt Paul Witzig liegen. Neben ihm stehen auch sein damaliger Stellvertreter Ulrich Weidli, ein Mitarbeiter des Veterinäramts und ein Milchinspektor vor den Schranken.

Wie lautet die Anklage?

Konkret wird den Angeklagten mehrfacher Amtsmissbrauch, mehrfache Begünstigung durch Unterlassung, Nötigung, Gläubigerschädigung, ungetreue Geschäftsbesorgung, Sachentziehung, Diebstahl und mehrfache Tierquälerei durch Unterlassung vorgeworfen.

Was sind die Vorwürfe gegen den Kantonsveterinär?

Gemäss der Anklageschrift hatte Witzig im August 2013 zwar ein Teiltierhalteverbot gegen Ulrich K. verfügt. So hätte K. den Pferdebestand auf 60 Tiere reduzieren müssen, was er nicht tat.  Darum verfügte Witzig im Oktober 2014 ein Totaltierhalteverbot, welches aber wegen Formfehlern nie rechtskräftig wurde. Trotz des Wissens um die Situation auf dem Hof habe der Kantonsveterinär nichts unternommen und sich gar «wiederholt gegen die zwangsweise Durchsetzung des Teiltierhalteverbots» ausgesprochen haben, so der Vorwurf.

Weiter sollen die Kontrollen auf dem Hof nur nach Ankündigung erfolgt sein. Dadurch habe K. die Möglichkeit gehabt, «insbesondere kranke, verletzte oder tote Tiere vom Hof zu schaffen». Das dokumentierte Tierleid konnte so weder festgestellt noch beseitigt werden. Für die Staatsanwaltschaft sei dies eine «systematische und mehrere Jahre andauernde Untätigkeit». Zudem wirft die Anklage Witzig vor, nicht gehandelt zu haben, «weil er im Fall einer Zwangsvollstreckung persönliche Aggressionen seitens Ulrich K. fürchtete». Dadurch soll er sein persönliches Wohlbefinden vor seine ihm obliegenden Amtspflichten gestellt haben.

Zwischen 2015 und 2017 gab es mehrere Meldungen von verletzten, mageren oder toten Tieren auf dem Hof in Hefenhofen. Trotz der Meldungen gab es aber keine Kontrolle seitens des Amtes. Die Staatsanwaltschaft legt dies so aus, dass Witzig damit mindestens in Kauf genommen habe, K. «unrechtmässig vor entsprechender Strafverfolgung wegen Tierquälerei zu bewahren.»

Zudem wird dem ehemaligen Kantonsveterinär vorgeworfen, sich im Rahmen der Hofräumung des Diebstahls, der Sachentziehung und des Amtsmissbrauch strafbar gemacht haben soll. 

Was sind die Vorwürfe an die weiteren Angeklagten?

Weitere Anklagepunkte betreffen die Versteigerung der Pferde von Ulrich K. Der zuständige Regierungsrat Walter Schönholzer ordnete die Hofräumung in Hefenhofen 2017 an. Obwohl dabei keine schwerwiegenden Verstösse gegen Tierschutzbestimmungen festgestellt wurden, versteigerte Witzigs Stellvertreter die 93 Pferde, die bei der Räumung auf dem Hof waren.

Die Preise wurden bei der Versteigerung aber näher am Schlacht- als am Marktpreis festgelegt. Dadurch sei der Erlös aus der Versteigerung, welcher Ulrich K. eigentlich nach Abzug der Verfahrenskosten zustehen würde, bewusst tief gehalten worden. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Kantonsveterinär und seinem Stellvertreter vor, dies absichtlich gemacht zu haben, damit K. nicht entschädigt werden muss.

Ein weiterer Anklagepunkt betrifft die Versteigerung. Witzig, sein Stellvertreter sowie ein Angestellter des Amtes sollen gewusst haben, dass zwei Ponys gar nicht K. gehörten. Dennoch wurden die beiden Tiere versteigert. Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten vor, dies absichtlich getan zu haben, «um den Aufwand für eine Rückführung» an die Besitzerin zu vermeiden.

Der letzte Anklagepunkt betrifft den Milchinspektor und den Kantonstierarzt. Beide müssen sich wegen versuchten Amtsmissbrauchs und Nötigung verantworten. Grund dafür ist eine 2016 vom Amt verhängte Milchsperre gegen K. Der Bauer traf die nötigen Massnahmen und bat um eine sofortige Nachkontrolle. Der Milchinspektor teilte K. aber mit, dass er zuerst 300 Franken für die Verfügung der Sperre begleichen müsse. Gemäss der Anklage habe der Milchinspektor damit das die Wiederaufhebung der Sperre in unzulässiger Weise verzögert und K.den legalen Milchabsatz verunmöglicht.

Was fordert die Staatsanwaltschaft?

Die Staatsanwaltschaft fordert Schuldsprüche für alle Angeklagten. Die geforderte Strafmasse ist allerdings noch nicht bekannt. Die Anträge dafür werden dann an der Hauptverhandlung gestellt. Anders sieht es bei den Verfahrenskosten aus. Dort hat die Staatsanwaltschaft bereits entschieden. Sie fordert, dass die Hälfte der Verfahrenskosten dem ehemaligen Kantonstierarzt auferlegt werden. Sein Stellvertreter und der Angestellte sollen einen Fünftel, der Milchinspektor einen Zehntel der Kosten bezahlen.

Gibt es Privatkläger?

Ja, die gibt es. Zwei Privatklägerschaften sind in der Anklageschrift aufgeführt. Einer davon ist Ulrich K. Er fordert Schadenersatz in der Höhe von rund 2,6 Millionen Franken sowie fünf Prozent Zins. Die zweite Privatklägerschaft ist die Besitzerin der versteigerten Ponys. Sie fordert einen Schadenersatz von gut 38'000 Franken.

veröffentlicht: 24. Januar 2024 05:58
aktualisiert: 24. Januar 2024 10:37
Quelle: FM1Today

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