Justiz

Zu wenig Personal: Ostschweizer Gerichte sind überlastet

· Online seit 22.09.2022, 20:07 Uhr
Die Ostschweizer Gerichte kommen mit der Arbeit fast nicht mehr nach. Zu viele Verfahren, zu viele komplizierte Fälle und zu wenige Stellen. Die Justiz ist massiv überlastet. Konsequenzen hat dies vor allem für die Betroffenen, die lange auf einen Prozess warten müssen.
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Die offenen Fälle stapeln sich beim St.Galler Kantonsgericht. Im Vergleich zu den letzten zehn Jahren hat sich die Anzahl an Pendenzen fast verdoppelt – und das bei immer gleichbleibendem Personalbestand.

«Berg an Arbeit bleibt gleich gross»

«Mittlerweile haben wir am Kantonsgericht St.Gallen eine Verfahrensdauer von deutlich über einem Jahr. Und das wollen auch die Mitarbeitenden nicht. Das ist demotivierend. Man arbeitet von früh bis spät und der Berg an Arbeit bleibt gleich gross», sagt Ivo Kuster, Präsident des St.Galler Kantonsgerichts, gegenüber TVO.

Die Gründe für die Situation sind unterschiedlich. Am meisten ins Gewicht fällt aber, dass die Fälle und das Gesetz immer komplizierter und aufwendiger werden. Vor allem im Straf- und Familienrecht falle dies am extremsten auf. «Beim Strafrecht haben wir eine Strafprozessordnung erhalten. Diese ist viel umfänglicher als früher im Kanton St.Gallen. Es gibt aber auch schlichtweg mehr Fälle», sagt Kuster. 

Belastend für Betroffene

In der ganzen Ostschweiz ist die Situation bei der zweiten Instanz ähnlich. Vor allem auch in Appenzell Ausserrhoden ist man besorgt. Auf Anfrage von TVO heisst es, dass in diesem Jahr schon Urteile von über 100 Seiten geschrieben wurden. Früher habe es das nie gegeben.

Nun müsse man reagieren, findet Margot Benz, Kantonsrätin und Mitglied der Rechtspflegekommission im Kanton St.Gallen: «Für die Betroffenen in diesen Verfahren ist es belastend. Es dauert lange, bis sie wissen, was gilt. Es betrifft hier Opfer aber auch Beklagte, welche dieses Verfahren nicht gesucht haben und mit dem Entscheid der Vorinstanz einverstanden gewesen wären.»

Kantonsgericht St.Gallen hat drei neue Stellen beantragt

Und das Hinauszögern könnte irgendwann auch zu mehr Verjährungen führen. In St.Gallen war das bisher aber nur selten der Fall. Da trotz mehreren effizienzsteigernden Massnahmen die Fälle so nicht mehr zu bewältigen sind, hat das Kantonsgericht St.Gallen für das Jahr 2023 drei neue Stellen beantragt. Jetzt liegt der Ball bei der Finanzkommission und dann wird auch noch der Kantonsrat in der Novembersession darüber beraten.

(red.)

veröffentlicht: 22. September 2022 20:07
aktualisiert: 22. September 2022 20:07
Quelle: TVO

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