Schweiz

Amnesty kritisiert Betrieb in den neuen Asyl-Zentren

29.02.2020, 13:09 Uhr
· Online seit 29.02.2020, 12:49 Uhr
Vor einem Jahr ist das neue Asylgesetz in Kraft getreten. Seither häuft sich Kritik, für vertiefte Abklärungen seien die Verfahren zu kurz. Laut Amnesty International sind auch Abläufe in den neuen Bundesasylzentren problematisch.
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(gb.) Am Sonntag ist es ein Jahr her, seit das Asylwesen in der Schweiz nach einem neuen Gesetz organisiert wurde. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International Schweiz zieht in einer Stellungnahme eine erste Bilanz zu den Neuerungen. Sie berichtet unter anderem von unwürdigen Zuständen in den neuen Bundesasylzentren.

So sei Amnesty immer wieder mit Klagen konfrontiert, weil das Sicherheitspersonal in den neuen Asylzentren – es handle sich dabei meist um Mitarbeiter privater Sicherheitsdienstleister – die Bewohnerinnen und Bewohner abschätzig oder grob behandle. Zudem sei es in den neuen Zentren kaum möglich, den Alltag selbständig zu gestalten, sagt Reto Rufer von Amnesty International. An den meisten Standorten sei es zum Beispiel nicht möglich, selber zu kochen.

Regelmässige Leibesvisitationen

Die Organisation berichtet auch von erheblichen Eingriffen in die Privatsphäre. Es fänden regelmässige Durchsuchungen der Schlafräume, teilweise auch nachts und ohne vorheriges Klopfen, sowie Leibesvisitationen bei jedem Eintritt in die Zentren statt. Auch Kinder und Babys seien davon nicht ausgenommen, heisst es in der Mitteilung.

Ein Sprecher des Staatssekretariats für Migration (SEM) relativiert auf Anfrage von CH Media diese Schilderungen. Tatsächlich findet laut dem Sprecher bei jedem Betreten der Zentren eine Personenkontrolle statt. «Diese findet in jedem Alter statt, wobei das Augenmerk bei Kindern aber klar auf Transportmittel und dergleichen, zum Beispiel Kinderwagen, zu liegen kommt», so der Sprecher. «Die Eltern sind bei Kontrollen anwesend und unterstützen diese in dem sie zum Beispiel die Jacke des Kindes selber öffnen.» Ein Abtasten werde bei Kindern nicht durchgeführt.

Zehn Minuten für Rechtsberatung

Das neue Gesetz wurde unter anderem geschaffen, um Asylverfahren in der Schweiz schneller bearbeiten zu können. Das SEM hat Anfang Februar eine erste Bilanz gezogen und mitgeteilt, dass seit Einführung des neuen Gesetzes die Verfahren im Durchschnitt noch 50 Tage dauern würden. Hier setzt der zweite Kritikpunkt von Amnesty International an: Die Identifizierung und Abklärung besonderer Bedürfnisse der Asylsuchenden sei nicht immer gewährleistet. Diese Auffassung teilt auch die Schweizerische Flüchtlingshilfe, welche befürchtet, dass es wegen des hohen Zeitdrucks zu mehr Fehlentscheiden kommt.

Mit dem neuen Gesetz wurden nicht nur die Verfahrensfristen gekürzt, sondern auch das Angebot einer kostenlosen Rechtsberatung und Rechtsvertretung für die Asylsuchenden geschaffen. Darin sieht Amnesty zwar einen «grossen Fortschritt», jedoch sei auch hierfür die Zeit sehr knapp. «Die Rechtsberater vergeben 10-Minuten-Termine für Information und Chancenberatung», sagt Rufer. «Asylsuchende haben uns ausserdem berichtet, dass sie ihre Rechtsvertreter vor der Anhörung nicht treffen konnten.»

Trotz der Mängel, die laut Amnesty bestehen, möchte die Organisation das Gesetz nicht rückgängig machen. Doch es bestehe Optimierungsbedarf: «Die gesetzlich festgelegten Fristen und auch die Betriebsreglemente, die das SEM erstellt hat, müssen nochmals überprüft werden», so Rufer.

veröffentlicht: 29. Februar 2020 12:49
aktualisiert: 29. Februar 2020 13:09
Quelle: CH Media

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