Klimawandel

Bergwälder nehmen dem Flachland in Zukunft das Wasser weg

27.01.2020, 17:10 Uhr
· Online seit 27.01.2020, 16:59 Uhr
ETH-Forscher haben herausgefunden, dass bewaldete Berggebiete mehr Wasser verdunsten als bisher angenommen. Bei zukünftigen Trockenzeiten wird dieses den Fliessgewässern fehlen.
Peter Walthard
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Wenn in Zukunft die sommerlichen Trockenperioden zunehmen, führt das nicht dazu, dass die Vegetation in den Bergen verdorrt. Im Gegenteil: Sie
grünt umso üppiger. Dabei saugen die Pflanzen den letzten Tropfen Wasser aus dem Boden und geben ihn über die Verdunstung an die Atmosphäre ab. Zu diesem Schluss kommt eine Untersuchung eines Forscherteams der ETH, die in der renommierten Fachzeitschrift «Nature Climate Change» veröffentlicht worden ist.

Wie die Forscher berechnet haben, hat dies Folgen für den Wasserabfluss aus den Bergen. Die Forscher gewannen die Ausgangsdaten, in dem sie den Hitzesommer 2003 analysierten. Damals floss in vielen Bächen und Flüssen nur halb soviel Wasser wie in normalen Sommern. Rund ein Drittel dieser Einbusse ging auf das Konto der Vegetation, errechneten die Forscher.

Erhöht war die Verdunstung vor allem in bewaldeten Berggebieten in einer Höhenlage von 1300 bis 3000 Metern über Meer. «Die Vegetation dieser Höhenlage war massgeblich daran beteiligt, den halbausgetrockneten Flüssen und Bächen das Wasser abzugraben», sagt Simone Fatichi, Oberassistent am Institut für Umweltingenieurwissenschaften der ETH Zürich.

Die Forscher simulierten nun, welche Folgen eine Temperaturerhöhung
um drei Grad im Alpenraum haben könnte. Dieses Szenario könnte Ende des Jahrhundert Realität werden. Dabei würde die Verdunstung durch die Pflanzen um sechs Prozent erhöht. Die Zunahme der Verdunstung
entspräche damit einem Rückgang des Niederschlags um jährlich durchschnittlich 45 Liter pro Quadratmeter, was etwa drei bis vier Prozent des Jahresniederschlags entspricht.

In der Konsequenz kämen die Abflussmengen in Flüssen und Bächen noch stärker unter Druck, als sie es bereits sind. Aufgrund der Tendenz zu
warmen und trockenen Sommern werde in Zukunft mehr Wasser verdunsten und weniger über Flüsse und Bäche ins Mittelland gelangen. Langfristig gefährde dies die Wasserversorgung in den tief gelegenen Regionen am Rand der Alpen.

Dazu komme, dass mit der Klimaerwärmung ohnehin weniger Niederschlag zu erwarten sei. Da ausserdem noch in diesem Jahrhundert mit dem weitgehenden Verschwinden der Gletscher zu rechnen ist, fällt im Sommer auch deren Schmelzwasser weg. Die Kombination dieser Faktoren stelle die Rolle der Alpen als Wasserschloss Europas in Frage, warnt Fatichi. Insgesamt leben in Europa rund 170 Millionen Menschen vom Wasser aus dem Alpenraum, dieses spielt ausserdem eine bedeutende Rolle für die Landwirtschaft und die Stromproduktion.

Das Modell, mit dem die Forscher das Szenario berechneten, wurde mit Messdaten von mehr als 1200 Messstationen aus dem gesamten Alpenraum gespeist. Diese erfassten Wetterdaten und die Abflussmengen von Flüssen. Die Daten korrigierten die ursprünglich in Modellen verwendete Annahme, dass Pflanzen auch in Berggebieten während den Trockenzeiten verdorren. In diesem Falle würde die Verdunstung von Wasser sinken.

veröffentlicht: 27. Januar 2020 16:59
aktualisiert: 27. Januar 2020 17:10
Quelle: CH Media

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