Immer mehr Schlafprobleme

Experte ordnet ein: «Das Coronavirus hat den Schlaf verschlechtert»

· Online seit 31.01.2024, 06:04 Uhr
In der Schweiz leiden immer mehr Menschen an Schlafstörungen. Welche Ursachen Schlafstörungen haben können, wie man Schlafprobleme behandeln kann und wie wirksam Schlafmittel sind, erklärt ein Schlafforscher des Berner Inselspital im Interview.
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BärnToday: Laut dem Bundesamt für Statistik (BFS) litt 2022 ein Drittel der Schweizer Bevölkerung an Schlafstörungen. Wie setzt sich diese Zahl zusammen?

Albrecht Vorster, Schlafforscher am Berner Inselspital: Die Zahl der Menschen mit Schlaferkrankungen liegt seit 20 Jahren ziemlich konstant bei etwa einem Drittel der Bevölkerung. Das ist auch das Ergebnis von grossen Meta-Analysen über ganz Europa. Etwa 10 bis 20 Prozent der Bevölkerung leiden an einer Schlafapnoe, also an Atemaussetzern während dem Schlafen, insbesondere beim Schnarchen. Etwa 10 Prozent sind vom Restless-Legs-Syndrom betroffen, da verspürt man abends ein Ziehen, Zerren, Kribbeln und einen Bewegungsdrang in den Beinen.

Und etwa 10 bis 20 Prozent leiden an einer Insomnie, also einer Ein- und Durchschlafstörung. Daneben gibt es noch ganz viele kleinere Schlafstörungen wie Albträume – etwa 3 Prozent – oder auch Parasomnie, also Schlafwandeln oder das Ausagieren von Träumen (in Aktionen umsetzen, Anm. d. Red.), da sind wir auch im einstelligen Prozentbereich.

2017 war die Zahl noch tiefer (29 Prozent). Wie erklären Sie sich diese Zunahme?

Was sich seither geändert hat, ist vor allem das Corona-Virus. Das hat den Schlaf verschlechtert. Auch wegen der Art, wie wir mittlerweile arbeiten. Beim Arbeiten im Homeoffice nehmen wir die Arbeit viel häufiger mit ins Bett. Relativ viele Menschen von uns schauen sich vor dem Einschlafen noch E-Mails vom Chef an und erledigen Arbeitstätigkeiten im Bett. Das kann den Schlaf verschlechtern.

Haben Schlafstörungen auch mit dem zunehmenden Stress in der Bevölkerung zu tun?

Stress ist einer der Auslöser für Schlafprobleme, aber nicht der Hauptauslöser. Stress ist beispielsweise nur indirekt ein Auslöser fürs Schnarchen mit Atemaussetzern oder für das Restless-Legs-Syndrom. Stress ist nur beim Beginn einer Durchschlafstörung von entscheidender Bedeutung. Wir überschätzen im Allgemeinen die Bedeutung des Stresses für den Schlaf. Viel wichtiger ist das Gewicht, die Bewegung und ein regelmässiger Tag-Nacht-Rhythmus – also dass wir jeden Tag etwa zur gleichen Zeit ins Bett gehen und zur gleichen Zeit aufstehen, auch am Wochenende. Das hängt nicht direkt mit dem Stress zusammen, ist aber zentral für einen gesunden Schlaf.

Wie können Schlafstörungen verhindert oder behandelt werden?

Einer der Hauptauslöser fürs Schnarchen ist das steigende Übergewicht in der Schweiz. Die weltweite Übergewichtsepidemie anzugehen, ist einer der wichtigsten Faktoren, um das Leben der Menschen generell zu verbessern. Zuckerhaltige Lebensmittel müssen stärker besteuert werden und gesündere Lebensmittel müssen in der Bevölkerung unterstützt werden.

Für die anderen Schlafstörungen brauchen wir endlich einen Facharzt für Schlafmedizin – den gibt es in der Schweiz nicht. Wir brauchen auch in den Kliniken eine Stärkung, in den meisten Kliniken gibt es keinen Schlafmediziner. Wir müssen die Patienten flächendeckend screenen. Beim Hausarztbesuch werden häufig Blutdruckwerte genommen, was auch sehr wichtig ist. Aber: Selten wird eine Schlafdiagnostik durchgeführt, um herauszufinden, wo das Schlafproblem liegt. Da müssen wir nacharbeiten.

Wie effektiv sind Schlafmittel?

Schlafmittel sind in der Behandlung von Schlafstörungen genauso effektiv wie Schmerzmittel zur Behandlung von Rückenschmerzen. Zur akuten Behandlung können Schlafmittel tatsächlich hilfreich sein, sie gehen aber nur auf die Symptome und nicht auf die Ursachen der Krankheiten heran. Schlafmittel können das Schlafverhalten nicht ändern, dass zum Beispiel jemand regelmässig ins Bett und ausreichend ans Tageslicht geht und nicht zu lange im Bett liegt. Viele Menschen mit einer Ein- und Durchschlafstörung liegen mehr als acht Stunden im Bett, zu langes Liegenbleiben führt jedoch zu einem schlechteren Schlaf. Schlafmittel können kurzfristig helfen, das Schlafproblem auf Dauer aber meistens nicht lösen.

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veröffentlicht: 31. Januar 2024 06:04
aktualisiert: 31. Januar 2024 06:04
Quelle: BärnToday

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