Lärmschutz

In Schweizer Städten soll nur noch Tempo 30 gelten

18.12.2022, 08:37 Uhr
· Online seit 18.12.2022, 08:16 Uhr
Künftig sollen Autofahrende mit 30 Stundenkilometern durch die Schweizer Städte fahren dürfen – wenn es nach dem Städteverband geht. Damit soll die Bevölkerung vor Lärm geschützt werden. Das hat allerdings seinen Preis.
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Die Thematik ist brisant: Denn mittlerweile sind es nicht mehr nur die grossen Städte, wie Basel, Zürich oder Winterthur, die Tempo 30 auf ihrem Gebiet einführen wollen, sondern auch immer mehr Gemeinden ziehen diese Temporeduktion zumindest in Betracht. Das berichtet das «NZZ Magazin» am Sonntag. Dabei soll nicht nur das Siedlungsgebiet betroffen sein. Auch auf der jeweilig dicht befahrenen Hauptstrasse dürfte dann nur noch mit 30 Stundenkilometern gefahren werden.

Nun fordert der Städteverband, dass dieser Grundsatz fallen und künftig auf allen Strassen im Siedlungsgebiet Tempo 30 gelten soll. Dem Verband gehören 129 Städte und Gemeinden an. Die Tempo-30-Forderung stellt der Städteverband in einem neuen Positionspapier vor. «Der Paradigmenwechsel ist nötig, weil immer mehr Menschen entlang der Verkehrsachsen wohnen und arbeiten», sagt der Frauenfelder Stadtpräsident Anders Stokholm (FDP) gegenüber der Zeitung.

Nur noch die Hälfte des Verkehrslärms

Zudem sei der Lärm, welcher von der dicht befahrenen Strasse ausgehe, ein zusätzliches Problem. «Er verursache gesundheitliche Schäden und verhindere die Entwicklung im urbanen Raum», heisst es weiter. Dazu würden viele Projekte wegen Lärmeinsprachen blockiert.

Ein Tempolimit, welches sich nur auf Wohngebiete beschränke, reiche in Zukunft nicht mehr aus. Der Städteverband will den Lärm direkt an der Quelle unterbinden – und das sind die verkehrsorientierten Strassen. Eine Studie des Bundes und der Stadt Zürich zeigt auf, dass eine Reduktion von Tempo 50 auf Tempo 30 den Schallpegel um drei Dezibel senkt. Dies entspreche gefühlt einer Halbierung des Verkehrslärms.

Widerstand beim Gewerbe

Damit Tempo 30 in Städten zur Norm wird, schlägt der Verband vor, die Verkehrsregelnverordnung auf Bundesebene anzupassen. Dies wiederum stösst – nicht überraschend – auf heftigen Widerstand. Das sei ein KMU-feindlicher Vorschlag, wird Hans-Ulrich Bigler, Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands zitiert. Dass würde das Gewerbe aus der Stadt verdrängen, weil ein Tempolimit auf den Strassen mit einem Zeitverlust verbunden wäre. Gewerbler seien somit zur Schleichfahrt gezwungen.

In einigen Kantonen haben Wirtschafts- und Verkehrsverbände bereits Volksinitiativen eingereicht oder zumindest angekündigt. Denn neben dem Gewerbe soll auch der öffentliche Verkehr unter einer Temporeduktion leiden. Um die Taktung aufrecht erhalten zu können, müsse deutlich mehr investiert werden, was zu massiven Mehrkosten führen dürfte.

«Pure Ideologie»

Hinzu kommt, dass Tempo 30 dem Lärmschutz gar nicht dienlich sein soll. Denn damit wird der Verkehr nur in die Quartiere verlagert, «mit allen Konsequenzen und Nachteilen für die Bewohnende», erklärt der Touring-Club Schweiz (TCS). Für den SVP-Nationalrat Gregor Rutz seien diese Forderungen «pure Ideologie»: «Wer komplette Ruhe will, soll aufs Land ziehen.»

Der Städteverband kennt diese Vorwürfe. Anders Stokholm weiss, dass die Städtepolitik für bürgerliche Kreise häufig als autofeindlich gilt. Jedoch habe diese Tempolimit-Forderungen nichts mit Ideologie zu tun.

Dazu ist sich Stokholm sicher, dass Tempo 30 sowohl auf den Hauptstrassen als auch im Siedlungsgebiet den öffentlichen Verkehr nicht behindern würde. An vielen Orten gebe es aber gar keine eigenständigen Spuren für Busse. «Busse stecken ebenso oft im Stau oder stockenden Verkehr wie alle anderen. Wenn mit Tempo 30 der Verkehr insgesamt flüssiger wird, weil es weniger Stop-and-Go-Phasen gibt, profitiert davon auch der öffentliche Verkehr», so Stokholm.

(red.)

veröffentlicht: 18. Dezember 2022 08:16
aktualisiert: 18. Dezember 2022 08:37
Quelle: ArgoviaToday

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