Es war ein Novum in der 130-jährigen Geschichte: Erstmals seit der organisierten Schweizer Arbeiterschaft gab es im letzten Jahr keine Kundgebungen zum Tag der Arbeit. Wegen der Corona-Pandemie mussten die Gewerkschaften die 1.-Mai-Anlässe ins Internet verlegen.
Statt auf der Strasse demonstrierten die Leute in Zürich für einmal auf dem Balkon. Sie machten mit Pfannendeckeln Lärm und forderten so höhere Löhne für das Pflege- und Verkaufspersonal. In den Jahren davor waren jeweils Tausende Leute durch die Strassen gezogen.
Wie alles begann
Seinen Ursprung hatte der Tag der Arbeit im Jahre 1856. Am 1. Mai kam es in Australien zu einer Massendemonstration. An dieser wurde die Einführung des Achtstundentags gefordert. Denn zu dieser Zeit war es gang und gäbe, täglich bis zu zwölf Stunden zu arbeiten.
30 Jahre später rief auch die amerikanische Arbeiterbewegung zu einem Generalstreik am 1. Mai auf. Dieser verlangte ebenfalls eine Begrenzung der Arbeitszeit. Am internationalen Arbeiterkongress in Paris 1889, wurde der 1. Mai schliesslich zum «Kampftag der Arbeiterbewegung» ausgerufen, an dem die Arbeiter auf der ganzen Welt streiken sollen.
Der Tag der Arbeit kommt in die Schweiz
Bereits ein Jahr nach dem Arbeiterkongress fanden in der Schweiz die ersten 1.-Mai-Feiern statt: Zu Beginn wurde an 34 Orten gefeiert, 1910 waren es schon 96. Die grösste 1.-Mai-Demo der Schweiz ging 1919 über die Bühne – mit rund 50'000 Teilnehmenden in Zürich.
Seither hat der Tag der Arbeit einen festen Platz in der Schweiz. In einzelnen Kantonen wie beispielsweise Zürich, beider Basel und Jura, ist der 1. Mai gar ein gesetzlich anerkannter Feiertag. Doch nicht in allen Kantonen haben die Arbeitnehmenden am 1. Mai frei. In der Innerschweiz wird normal gearbeitet. Der Grund liegt unter anderem in der katholischen Tradition der Region.
Kundgebungen, Reden, Krawalle
Treibende Kraft hinter dem Tag der Arbeit sind die Gewerkschaften. Sie nutzen den 1. Mai jeweils, um auf ihre wichtigsten Forderungen aufmerksam zu machen. Doch Jahr für Jahr sorgen nicht nur die Forderungen der Gewerkschaften für Schlagzeilen, sondern auch wüste Krawalle.
Speziell in Zürich, Basel oder Bern geraten nach der offiziellen Kundgebung immer wieder – meist junge – Leute und die Polizei aneinander. Auch schlägt der Schwarze Block regelmässig Schaufenster und Autofenster ein oder steckt Container in Brand. Dies lockt jeweils auch zahlreiche Schaulustige an.
Tag der Arbeit im Jahr 2021
Der diesjährige 1. Mai steht unter dem Motto «Zeit für die soziale Wende!» und rückt die Folgen und die Betroffenen der Corona-Pandemie ins Zentrum. Die Gewerkschaften rufen dazu auf, wenn immer möglich auf die Strasse zu gehen. Denn für sie ist klar: Einen zweiten Tag der Arbeit ohne physische Kundgebung darf es in diesem Jahr nicht geben.
Einen normalen 1. Mai wird es am Samstag trotzdem nicht geben – Corona lässt grüssen. Denn jeder Kanton hat eigene Regeln für Kundgebungen aufgestellt. Während Baselland kein Personenlimit für politische Veranstaltungen kennt, dürfen im Kanton Bern maximal 15 Personen an einer Kundgebung teilnehmen.
Dezentral heisst die neue Devise
In Zürich, wo in den vergangenen Jahren die grössten Demos stattfanden, wird es am Samstag aufgrund der strengen Auflagen keinen Umzug geben. Auch hat der Gewerkschaftsbund des Kantons Zürich die traditionelle Schlusskundgebung auf dem Sechseläutenplatz abgesagt. Stattdessen sollen in der Stadt mehrere stationäre Kundgebungen stattfinden.
(scd)