Wirtschaft

Luzerner Stahlkocher plant weitere Kapitalerhöhung, Präsident tritt zurück

01.12.2020, 09:02 Uhr
· Online seit 01.12.2020, 08:54 Uhr
An einer ausserordentlichen Generalversammlung vor Weihnachten soll eine weitere Kapitalerhöhung beschlossen werden. Die Beteiligungsgesellschaft Big Point von Martin Haefner garantiert dabei einen Mindestpreis von 21 Rappen pro Aktie. Vorgesehen ist ein Bruttoerlös von mindestens 200 Millionen Euro.
Maurizio Minetti
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Der angeschlagene Luzerner Stahlhersteller Swiss Steel Group braucht eine weitere Kapitalerhöhung. Wie das Unternehmen am Dienstag mitteile, ist eine ordentliche Kapitalerhöhung mit einem Bruttoerlös von 200 Millionen Euro vorgesehen, unter Wahrung der Bezugsrechte der Aktionäre. Dafür soll am 22. Dezember 2020 eine ausserordentliche Generalversammlung durchgeführt werden. Damit einhergehend gewähren die kreditgebenden Banken laut der Mitteilung «erhebliche Erleichterungen» unter dem bestehendem Konsortialkredit. Dies betreffe die Kreditklauseln, die von den Banken auferlegten Restrukturierungsmassnahmen sowie damit einhergehende erhebliche Kosten und Risiken für die Gesellschaft. Diese Erleichterungen stehen unter der Bedingung, dass das Unternehmen im Rahmen der Kapitalerhöhung insgesamt mindestens 200 Millionen Euro an neuem Eigenkapital aufnimmt.

Im Rahmen der ordentlichen Kapitalerhöhung wird jeder Aktionär anteilsmässig Rechte zum Bezug neuer Namenaktien zum Bezugspreis erhalten. Um den angestrebten Mindesterlös von 200 Millionen Euro sicherzustellen, hat die Hauptaktionärin Big Point Holding AG von Amag-Erbe Martin Haefner sich gegenüber der Gesellschaft verpflichtet, sämtliche ihr zugeteilten Bezugsrechte auszuüben. Ausserdem hat sich Big Point verpflichtet, jene neuen Namenaktien, für welche keine Bezugsrechte ausgeübt werden und die im Rahmen der Kapitalerhöhung nicht bei anderen Investoren mittels Bookbuilding-Verfahren zu einem Preis von mindestens 21 Rappen pro Namenaktie platziert werden können, zum genannten Mindestpreis zu erwerben (sogenannter Backstop). Dank diesem Backstop sei der erforderliche Mindesterlös von 200 Millionen Euro gesichert; gleichzeitig seien Aktionäre, die ihr Bezugsrecht nicht ausüben wollen, vor übermässiger Verwässerung geschützt, indem der Bezugspreis für alle Aktien aus der Kapitalerhöhung mindestens 21 Rappen betragen werde, so Swiss Steel.

Aktuell wird die Swiss-Steel-Aktie für rund 24 Rappen gehandelt. Dass Kleinaktionäre ihre Papiere zu 21 Rappen verkaufen, ist also eher unwahrscheinlich. Ob die Liwet Holding, deren Hauptaktionär der russische Investor Viktor Vekselberg ist und die aktuell rund 25 Prozent der Anteile hält, bei der aktuellen Kapitalerhöhung mitziehen wird, ist unbekannt. Damit könnte der Anteil von Big Point je nach Szenario auf 70 bis 80 Prozent steigen.

Jens Alder nimmt den Hut

Im Zuge dieser geplanten Kapitalerhöhung wird Verwaltungsratspräsident Jens Alder am 22. Dezember zurücktreten. Er sehe seine Rolle als unabhängiger Präsident erfüllt, heisst es in der Mitteilung. Das Aufsichtsgremium ernennt den Vizepräsidenten Heinrich Christen für die verbleibende Amtszeit bis zur Generalversammlung 2021 zum neuen Verwaltungsratspräsidenten.

Alder hatte das Amt erst im April 2019 übernommen. Im Verlauf des vergangenen Jahres stritten sich die Grossaktionäre Big Point und Liwet um die Macht beim Stahlkonzern, der sich kürzlich von Schmolz+Bickenach in Swiss Steel Group umbenannt hat. Am Ende einigten sich Big Point und Liwet auf eine Kapitalerhöhung und Martin Haefner avancierte mit seiner Big Point zum grössten Einzelaktionär mit einem Anteil von aktuell knapp unter 50 Prozent.

Durch die damalige Kapitalerhöhung fand ein Kontrollwechsel statt, der normalerweise dazu führen muss, dass den übrigen Aktionären ein Übernahmeangebot gemacht werden muss. Haefners Bedingung, mehr Kapital einzuschiessen, war allerdings an die Entbindung von einem Pflichtangebot geknüpft. Die Finanzmarktaufsicht (Finma) gewährte Haefner diese Ausnahme. Das heisst, dass Minderheitsaktionäre leer ausgingen. Die Erben der Gründerfamilien Schmolz und Bickenbach wehrten sich dagegen und erhielten von Martin Haefner schliesslich ein grosszügiges Angebot von 45 Rappen pro Aktie – der Wert pro Aktie betrug damals 22 Rappen. Vor wenigen Wochen formierten sich weitere unzufriedene Minderheitsaktionäre in einer Interessengemeinschaft. Sie fordern den gleichen Preis pro Aktie, also 45 Rappen.

veröffentlicht: 1. Dezember 2020 08:54
aktualisiert: 1. Dezember 2020 09:02
Quelle: CH Media

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