Katholische Kirche

Missbrauchs-Betroffener: «Ich wurde über 100 Mal vergewaltigt»

· Online seit 20.09.2023, 08:30 Uhr
Die Enthüllungen über die Missbrauchsopfer in der katholischen Kirche sind erschütternd. Im «Club» von SRF erzählt ein Betroffener aus seiner Kindheit, als er als Neunjähriger vom Dorfpfarrer sexuell missbraucht wurde. Er konfrontiert Bischof Joseph Maria Bonnemain ausserdem damit, er halte nichts von den Besserungs-Versprechen der Bischöfe.

Quelle: SRF / Club

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Vor gut einer Woche wurde die Studie der Uni Zürich über die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche präsentiert. 1002 Fälle wurden mittels Nachforschungen aufgedeckt. Schweizer Bischöfe versprechen seitdem einen Wandel. Im Club von SRF diskutierten am Dienstagabend Fachpersonen, wie die Machtstruktur aufgebrochen werden könnte und welche Rolle dabei das Zölibat und das Frauenbild in der Kirche spielen.

In der Runde sitzen unter anderem Joseph Maria Bonnemain, Bischof von Chur und Andreas Santoni, ein Betroffener, der als Neunjähriger vom Dorfpfarrer sexuell missbraucht wurde. Sein Fall wurde vertuscht und der Peiniger geschützt. Er glaub nicht, dass die jetzigen Praktiken sich ändern werden. Er ist zudem davon überzeugt, dass viele weitere Missbrauchsfälle noch unaufgedeckt sind.

«Mindestens einmal pro Woche wurde ich vergewaltigt»

Darüber, dass es Babys unter den Missbrauchsopfern gab, ist Santoni entsetzt. «Wie pervers muss das sein? Was macht man sexuell mit einem Baby? Ich kann mir das nicht vorstellen.» Als er an die Öffentlichkeit ging, hätten sich bis zu diesem Zeitpunkt 225 Opfer freiwillig gemeldet, sagte er bereits gegenüber Tele M1.

Die Erzählungen über den Missbrauch in seiner Kindheit sind erschütternd. Er war als Bub in einem aargauischen Kinderheim. «Der Religionsunterricht im Kinderheim fand immer im Pfarrhaus, 150 Meter vom Kinderheim entfernt, statt», beginnt Santoni zu erzählen. «Der Pfarrer hat uns Kindern im Fernsehraum Ausschnitte von Jesus-Filmen gezeigt. Er hat das ganze Zimmer verdunkelt und uns Schüler auf dem Schoss gehalten. Dann hat er uns unter die Kleider und in die Hose gefasst.» Bei ihm sei es noch viel weitergegangen. «Es kam zu sexuellen Vergewaltigungen in seinem Schlafzimmer. Das passierte mindestens einmal pro Woche. Innert vier Jahren waren es mehr als 100 Mal.»

«Das ist alles Bla Bla für mich»

40 Jahre lang konnte Andreas Santoni nicht über seine Erlebnisse sprechen. Das Schweigen gebrochen hat er nach dem Tod seiner Mutter. Als sie 2010 an Krebs verstarb, hatte er an der Beerdigung einen psychischen Zusammenbruch. «Während der Messe habe ich im Pfarrer, der die Messe hielt, denjenigen Pfarrer gesehen, der mich sexuell missbraucht hatte. Nackt.» Ein Jahr später unternahm er einen Suizidversuch und kam danach in eine psychiatrische Einrichtung. Dort erzählte er erstmals über den sexuellen Missbrauch in der Kindheit.

Club-Moderatorin Barbara Lüthi fragt Bischof Joseph Maria Bonnemain, ob er sich mitverantwortlich fühle, wenn er so etwas höre. Oder ob er sich schäme. «Das ist fürchterlich», sagt der Bischof. Er schäme sich nicht nur, sondern sei auch sprachlos und niedergeschlagen. «Das fördert aber meine Entschlossenheit, dass wir alles unternehmen, damit solche Geschichten nie mehr passieren.»

Santoni glaubt das nicht. Er traue diesen Versprechen nicht. «Das ist alles Bla Bla für mich», so der Betroffene.

veröffentlicht: 20. September 2023 08:30
aktualisiert: 20. September 2023 08:30
Quelle: Today-Zentralredaktion

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