Nachfrage nach Assistenzbeitrag ist kleiner als erwartet

24.10.2017, 16:12 Uhr
· Online seit 24.10.2017, 15:57 Uhr
Seit fünf Jahren können Menschen mit Behinderung einen Assistenzbeitrag beantragen. Die Bezügerinnen und Bezüger schätzen die Leistung, doch ist die Nachfrage kleiner als erwartet. Zu diesem Schluss kommt eine Evaluation.
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Der Assistenzbeitrag wurde mit der IV-Revision 6a eingeführt. Beantragen können ihn IV-Rentnerinnen und -Rentner, die eine Hilflosenentschädigung beziehen und zu Hause wohnen oder aus einem Heim austreten. Mit dem Beitrag können sie für ihre Unterstützung im Alltag Assistenzpersonen einstellen.

Das soll ihnen ein eigenständiges Leben ermöglichen, ihre berufliche und soziale Integration erleichtern und ihre Chancen verbessern, trotz Behinderung zu Hause zu leben. Auch sollen die Angehörigen entlastet werden.

Die Hauptziele seien erreicht worden, schreibt das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) in einem am Dienstag veröffentlichten Bericht, der auf einer Erhebung basiert.

Die grosse Mehrheit der insgesamt 2171 Bezügerinnen und Bezüger gab an, mit ihrer Lebenssituation zufrieden oder sehr zufrieden zu sein. Drei Viertel schreiben dem Assistenzbeitrag eine Verbesserung ihrer Lebenssituation zu. Rund 70 Prozent sind der Ansicht, dass die Belastung der Angehörigen gesunken ist.

Trotz dieser positiven Bilanz sei die Nachfrage eher bescheiden, heisst es im Bericht. Allerdings steige die Zahl kontinuierlich an. Gerechnet wurde mit durchschnittlich 3000 Bezügerinnen und Bezügern. 2016 bezogen insgesamt 1747 Personen Assistenzleistungen.

Die Kosten allerdings liegen nicht oder nur leicht unter den Erwartungen: 2016 betrugen sie 44 Millionen Franken, gerechnet wurde mit Kosten von 47 Millionen Franken.

Das hat gemäss dem Bericht damit zu tun, dass mehr Personen mit Entschädigung für schwere Hilflosigkeit und damit auch einem hohen Hilfebedarf einen Assistenzbeitrag beziehen als erwartet. Zudem sind die in Rechnung gestellten Beiträge für jeden Hilflosigkeitsgrad höher als prognostiziert.

Die Versicherten, die einer Entschädigung für schwere Hilflosigkeit beziehen, sind unter den Bezügerinnen und Bezügern eines Assistenzbeitrags übervertreten. Untervertreten sind Personen mit psychischen Problemen.

Pro Woche nehmen die Bezüger im Durchschnitt rund 23 Arbeitsstunden in Anspruch. Ein Viertel der Befragten beschäftigt eine Person, ein Viertel zwei Personen, ein Viertel drei Personen und das letzte Viertel mehr als drei Personen.

Zu vielen Heimaustritten hat der Assistenzbeitrag bisher nicht geführt: Weniger als 1 Prozent der Heimbewohner mit Hilflosenentschädigung hat sich während der letzten fünf Jahre dazu entschieden, aus dem Heim auszutreten und einen Assistenzbeitrag zu beziehen.

Obwohl die erste Bilanz grundsätzlich positiv ausfalle, seien noch Verbesserungen möglich, schreibt das BSV. Es ruft die Behindertenorganisationen auf, Vorschläge vorzubringen. Die Organisationen Agile und Inclusion Handicap tun dies: Sie fordern, dass administrative Hürden abgebaut werden.

Zudem sollte aus Sicht der Behindertenorganisationen mit dem Assistenzbeitrag auch die Unterstützung durch Familienangehörige finanziert werden können, wie dies Nationalrat Christian Lohr (CVP/TG) mit einer parlamentarischen Initiative fordert.

In der alltäglichen Betreuungssituation sei die Hilfe durch Angehörige noch immer der naheliegendste und effizienteste Weg, schreibt Inclusion Handicap in einer Mitteilung. Die Organisationen finden weiter, die die Stundenansätze für Nachtdienste und für Assistentinnen mit besonderen Qualifikationen seien zu knapp bemessen. Als Folge davon fänden sich nicht genügend Personen, schreibt Agile.

veröffentlicht: 24. Oktober 2017 15:57
aktualisiert: 24. Oktober 2017 16:12
Quelle: SDA

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