Stell dir vor: Du musst dringend aufs WC, stehst davor, kommst aber einfach nicht rein. So geschehen einer älteren Frau am Bahnhof Luzern. Das Problem: Die SBB setzen an immer mehr Bahnhöfen nur noch bargeldlose Toiletten ein – sprich: Ins WC kommt man nur mit Kreditkarte, Twint oder einer ähnlichen Bezahlmethode rein.
Solche Pilotprojekte laufen derzeit in Olten, Schaffhausen, Uster, Regensdorf oder eben Luzern. Bei letzterem Bahnhof ist der Zutritt seit dem 11. Juni nur noch bargeldlos möglich. Grund war dort, dass das WC saniert werden musste, gleichzeitig aber keine Ersatzteile mehr lieferbar gewesen seien, heisst es seitens der SBB gegenüber SRF.
Probleme für ältere Menschen
Bei einer Seniorin auf einem Ausflug wurde die neue Bezahlschranke fast zum Verhängnis, nur dank Hilfe einer anderen Frau sei sie ins WC gelangt. Im SRF-Konsumentenmagazin «Espresso» erzählt sie: «Ich hatte eine unglaubliche Wut, ich habe es einfach nicht in Ordnung gefunden, dass viele Leute gar keinen Zugang zu diesen mehr WCs haben.»
Peter Burri Follath, Spezialist für digitale Fragen im Alter bei der Pro Senectute, sieht diese Entwicklung mit gemischten Gefühlen: Einerseits betont er: «Man darf auch im Alter noch etwas lernen.» Andererseits sei es nicht in Ordnung, dass die SBB keine Alternativen bietet für Menschen, die nicht über neue Technologien verfügen. Sein Vorschlag: Am Schalter solle ein Jeton oder ähnliches verfügbar sein, damit auch betroffene Seniorinnen und Senioren Zugang zu den WCs hätten.
Kritischer sieht es Angelica Ferroni Heggli, Präsidentin des Forums Luzern60plus. Gegenüber der «Luzerner Zeitung» sagte sie: «Die SBB als öffentliches Unternehmen müssen dafür sorgen, dass eine Bezahlung auch mit Bargeld weiterhin möglich ist.» Aber nicht nur ältere Menschen seien betroffen, sie wies darauf hin, dass auch Kinder und Jugendliche ausgeschlossen würden. Nämlich dann, wenn sie noch kein Twint und keine Kredit- oder Debitkarte hätten.
Auch Parkplätze vermehrt bargeldlos
Die SBB wollen aber dabei bleiben, Alternativen für den Zugang seien nicht geplant, sagt Mediensprecher Martin Meier. Allerdings: In den nächsten Wochen sollen in Luzern Schritt-für-Schritt-Anleitungen angebracht werden, denn: «Wir wollen die Information vor Ort verbessern.»
Aber nicht nur die WCs sollen bargeldlos werden: Die SBB wollen auch bis 2023 auf ihren P+Rail-Parkplätzen alle Parkuhren schrittweise abbauen. Auf diesen Parkplätzen müssen Kundinnen und Kunden via «SBB P+R»-App bezahlen. Wer kein Smartphone hat, kann ein Parkticket zwar via Billett-Automat beziehen – allerdings nur für den ganzen Tag und nicht mehr nur stundenweise.
(jaw)