Der zweite Tag der Debatte war der grosse Tag der Wasserkraft. Der Rat folgte mit 32 zu 11 Stimmen bei 1 Enthaltung dem Vorschlag seiner Kommission: Bestehende Grosswasserkraftwerke sollen künftig Finanzhilfen des Bundes erhalten, wenn sie sich in einer wirtschaftlichen Notlage befinden. Dafür will der Ständerat 0,2 Rappen aus dem Netzzuschlag für erneuerbare Energien reservieren. Der betroffene Kanton müsste mit tieferen Wasserzinsen einen Beitrag leisten.
Dem Rat lagen auch Alternativen zu diesem Konzept vor. Stefan Engler (CVP/GR) wollte, dass den Wasserkraftwerken die Differenz der Gestehungskosten zum Marktpreis teilweise vergütet wird. Dafür sollten 0,4 Rappen aus dem Netzzuschlag reserviert werden. Engler zog den Antrag jedoch am Ende zurück. Sein Modell könne im Verlauf der weiteren Beratungen noch geprüft werden, sagte er.
Dass die Mehrheit im Ständerat neue Subventionen befürwortet, hat auch mit Interessen zu tun: Viele Standesvertreter sind direkt oder indirekt mit der Branche verbunden. Sie betonten im Rat, wie wichtig die Wasserkraft sei, sie diene als Batterie für Wind- und Sonnenenergie. Doch die Wasserkraftwerke steckten in existenziellen Schwierigkeiten.
Grund für die Krise der Wasserkraft ist das Überangebot auf den europäischen Strommärkten. Zu den Ursachen gehören die starke Förderung der erneuerbaren Energien in Deutschland und die niedrigen Preise für Öl, Gas und Kohle.
Die Gegner neuer Subventionen stritten die Probleme nicht ab. «Aber das ist eben der Markt», sagte Georges Theiler (FDP/LU). Man müsse den Mut haben, auch ein Wasserkraftwerk Konkurs gehen zu lassen. In diesem Fall würde das Werk übernommen, möglicherweise mit ausländischer Beteiligung. Das sei kein Problem. Wenn «die Chinesen» reihenweise Kraftwerke aufkaufen würden, könne das Parlament immer noch eingreifen.
Die Befürworter erwiderten, es gehe hier nicht um den reinen Markt. Die erneuerbare Energie zu fördern, sei generell ein Eingriff in den Markt, bemerkte Verena Diener (GLP/ZH). Dieser sei aus ökologischen Gründen sinnvoll. Anita Fetz (SP/BS) zeigte Verständnis für Theilers Argumente. Beim Kommissionsvorschlag gehe es aber um eine Lösung für Notfälle, nicht um einen neuen Subventionstatbestand.
Energieministerin Doris Leuthard gab zu bedenken, dass die Wasserkraftwerke über Jahrzehnte gutes Geld verdient hätten, in der Regel über eine Milliarde Franken im Jahr. Sie stellte sich dennoch nicht gänzlich gegen Finanzhilfen. «Meinetwegen», sagte sie. Wenn schon Hilfe dürfe diese aber nur im Notfall ausgerichtet werden, nicht nach dem Giesskannenprinzip wie in Englers Modell.
Der Nationalrat hatte auf eine Unterstützung der bestehenden Wasserkraft verzichtet. Uneinig sind sich die Räte auch bei der Förderung neuer kleiner Wasserkraftwerke. Heute gibt es keine Untergrenze, alle neuen Werke erhalten Fördergelder.
Geht es nach dem Bundesrat und dem Ständerat, sollen künftig Werke mit einer Leistung von mehr als 300 Kilowatt gefördert werden. Der Nationalrat hatte die Grenze höher gesetzt, bei 1 Megawatt. Die Mehrheit in der grossen Kammer war der Ansicht, Kleinstwasserkraftwerke hätten im Verhältnis zum Eingriff in die Natur einen geringen Nutzen.
Im Ständerat setzte sich Werner Luginbühl (BDP/BE) vergeblich für die höhere Untergrenze ein. «Wir setzen bei Kleinstkraftwerken viel Geld ein für wenig Leistung und richten damit viel Flurschaden an», kritisierte er. Auch Roberto Zanetti (SP/SO) warb für die höhere Untergrenze, «im Interesse der Fische und auch der Fischer». Die Mehrheit im Ständerat war aber der Ansicht, die Produktion vieler Kleinstanlagen lohne sich in der Summe.
Anders als der Nationalrat und der Bundesrat will der Ständerat ferner die Förderung von erneuerbaren Energien zeitlich befristen, mit der sogenannten Sunset-Klausel: Ab dem sechsten Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes sollen keine neuen Anlagen mehr ins Fördersystem aufgenommen werden, und ab 2031 sollen auch Einmalvergütungen und Investitionsbeiträge gestoppt werden.
Weiter hat der Ständerat am Dienstag entschieden, dass Windturbinen, Wasserkraftwerke oder Pumpspeicherkraftwerke künftig unter Umständen auch in Naturschutzgebieten gebaut werden dürfen. Konkret soll die Nutzung von erneuerbaren Energien zum nationalen Interesse erklärt werden. Damit wäre eine Güterabwägung möglich, wenn es um den Bau von Anlagen in Landschaften von nationaler Bedeutung geht.
Der Ständerat folgte in diesem Punkt grundsätzlich dem Bundesrat und dem Nationalrat, schränkte aber als Konzession an die Umweltverbände die Güterabwägung etwas ein. Diese soll nur möglich sein, wenn das Schutzgebiet nicht «im Kern seines Schutzwertes verletzt wird».
Die Beratungen gehen am Mittwoch weiter.