Kein Run auf Zivilstandsämter

Trotz «Ehe für alle» wird wenig geheiratet

· Online seit 24.06.2022, 15:17 Uhr
Hunderte von Paaren landauf und landab wollen nach dem Volks-Ja in den nächsten Wochen ihre eingetragene Partnerschaft in eine Ehe umwandeln. Neue heiratswillige gleichgeschlechtliche Paare gibt es jedoch nur wenige.
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Wie viele gleichgeschlechtliche Paare den neuen rechtlichen Rahmen nutzen werden, lässt sich laut den Bundesbehörden und dem Schweizerischen Verband für Zivilstandswesen nicht abschätzen. Eine Umfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA in verschiedenen Regionen zeigt, dass ein Run von heiratswilligen gleichgeschlechtlichen Paaren auf die Zivilstandsämter, ausbleiben wird.

Kein grosser Ansturm

Anders sah das 2007 aus, nach der Einführung der registrierten Partnerschaft. Über 2000 gleichgeschlechtliche Paare haben sich damals gleich eintragen lassen. Danach haben die Registrierungen immer mehr abgenommen.

Nicht überrascht vom Rückgang zeigt sich Pink-Cross-Geschäftsführer Roman Heggli. Viele gleichgeschlechtliche Paare hätten 2021 keine eingetragene Partnerschaft beantragt, weil sie die Gesetzesänderung abwarten wollten, so der Schweizer Dachverband der schwulen und bisexuellen Männer.

Die Umfrage von Keystone-SDA hat gezeigt, dass einige hundert eingetragene Partnerschaften ab dem 1. Juli in Ehen umgewandelt werden. Neue Ehen eingegangen werden jedoch deutlich weniger.

Zeichen der Gleichberechtigung

Dass vor allem eingetragene Partnerschaften umgewandelt werden, erklärt Heggli damit, dass viele Schwule und Lesben, denen ein rechtlicher Status wichtig sei, bereits in eingetragenen Partnerschaften leben.

Vielen Menschen der LGBT-Gemeinschaft sei die Möglichkeit der Ehe zudem kein persönliches Bedürfnis, sondern vor allem als Zeichen der Gleichberechtigung wichtig. Ein Vorteil der Ehe sei es, dass sich im Gegensatz zur eingetragenen Partnerschaft die Betroffenen nicht bei jedem Vertragsabschluss outen müssten.

Die Lesbenorganisation Schweiz (LOS) sieht die Vorteile der Ehe für alle für gleichgeschlechtliche Paare insbesondere bei der Familienplanung und Einbürgerung. Es sei auch gut möglich, dass der Anstieg von gleichgeschlechtlichen Ehen erst ab 2023 stattfinden werde, denn eine Hochzeitsplanung könne durchaus einige Zeit in Anspruch nehmen.

Run auf 1. Juli 

Innert kürzester Zeit war der 1. Juli als Hochzeitstermin in der Stadt Zürich ausgebucht: 26 gleichgeschlechtliche Paare werden dann auf dem Zivilstandsamt die Ehe schliessen. Ab August gibt es aber wieder viele freie Termine.

Von Juli bis September haben rund 50 homosexuelle Paare in Basel-Stadt einen Termin. Davon seien neun Reservationen für Eheschliessungen. Beim Zivilstandsamt der Stadt St. Gallen heisst es, es gebe keinen grossen Ansturm, aber eine kleine Welle von Anfragen.

Umwandeln anstatt heiraten

In Bern und im Wallis setzten die Paare von eingetragenen Partnerschaft eher auf eine Umwandlung in eine Ehe. In den sechs Walliser Zivilstandskreisen Brig, Visp, Siders, Sitten, Martigny und Monthey sind derzeit Termine für 14 Eheschliessungen und 30 Umwandlungen von eingetragenen Partnerschaften in Ehen gebucht. Ähnliche Zahlen werden in den Kantonen Basel-Landschaft, Thurgau und Solothurn erwartet.

In Freiburg und dem Kanton Waadt seien vor allem Umwandlungserklärungen ohne Trauzeremonie gefragt. In Luzern und Aarau sei bisher auch keine Rede von einem Ansturm. Am niedrigsten ist die Nachfrage in ländlichen Regionen. Darunter Chur, Arosa, Churwalden und Tschiertschen.

Beim einzigen Urner Zivilstandsamt haben sich bisher zwei gleichgeschlechtliche Paare für eine Eheschliessung gemeldet und zwei weitere planen die Umwandlung der Partnerschaft in eine Ehe. Noch gar keine Anmeldungen gab es bisher im Zivilstandsamt Appenzell.

(joe/sda)

veröffentlicht: 24. Juni 2022 15:17
aktualisiert: 24. Juni 2022 15:17
Quelle: Today-Zentralredaktion

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