Bilanz für «DeafVoice»

Wenn man die Retter nicht hören kann: So funktioniert die Notruf-App für Gehörlose

· Online seit 07.11.2023, 05:50 Uhr
«Hat jemand schon die Ambulanz gerufen?» In Notfallsituationen eine ziemlich logische Frage. Doch was, wenn man nicht in der Lage ist, einen Notruf per Telefon abzusetzen, weil man gehörlos ist? Genau dafür gibt es seit wenigen Monaten eine dreisprachige App für die ganze Schweiz.
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«Die Gehörlosenzentrale der Stiftung Alexander Graham Bell ist ein Vermittlungsdienst für Gehörlose. Diese hat sich in den letzten 30 Jahren stark modernisiert. Ursprünglich gab es ein Dolmetschertelefon, das beispielsweise Arzttermine für Gehörlose vermittelte. Neben der Telefonvermittlung haben wir eine spezielle App für Notfälle entwickelt, die viele Abläufe automatisiert und keinen Dolmetscher braucht», erklärt Carl J. Wiget, der die Arbeit und Weiterentwicklung an der App seit fünf Jahren begleitet. 

«Weltinnovation» aus der Schweiz 

Die Idee zur App für Gehörlose stammt ursprünglich aus der Feder des ehemaligen Geschäftsführers der Gehörlosenzentrale, Thomas Schmid. Die neuste Version gibt es seit wenigen Monaten. Sie beinhaltet eine automatisierte Alarmierungsoption. Diese ist für Gehörlose eine grosse Erleichterung. «Ein Hörender kann einfach eine Nummer anrufen und erklären, was los ist. Das geht als Gehörloser nicht», erklärt Wiget. Genau diesen Vorgang regelt die App «DeafVoice». Laut Wiget eine «Weltinnovation», die zusammen mit einer deutschen Informatikfirma entwickelt wurde.

So funktioniert der Notruf für Gehörlose

Die App funktioniert allerdings nicht über die normale Telefonleitung, sondern übers Internet. Die Notruf-App läuft über einen von der Gehörlosenzentrale betriebenen Notrufserver. Dieser setzt über virtuelle VoIP-Software-Telefone den Notruf ab. Dieser wird dementsprechend übers Internet abgesetzt, per GPS lokalisiert und an die entsprechende Notrufzentrale weitergeleitet. Dort erhält der Zuständige die Information, dass es sich um einen Notruf einer gehörlosen Person handelt. Ausserdem übermittelt die App alle wichtigen Details zur Situation, die von der alarmierenden Person angegeben wurden.

Damit die Kommunikation in beide Richtungen möglichst barrierefrei funktioniert, wird sie durch die App laufend auf beide Seiten übersetzt. «Die Benutzerin der App gibt Informationen durch Antippen von Icons ein. Sie kann zudem mit Ja- und Nein-Tasten Antwort geben oder bei einer komplexen Frage eine Antwort eintippen.» Dieser Text wird dann für die Person in der Notrufzentrale in eine verbale Botschaft übersetzt – und die gesprochenen Informationen der Notrufzentrale kann von der gehörlosen Person dann durch die Rückübersetzung wieder als Text gelesen werden.

Über 230 abgesetzte Notrufe über «DeafVoice»

Die neuste Version der App, die diese moderne Notruffunktion beinhaltet, wurde am 1. Juni lanciert. Seither half sie schon zahlreichen gehörlosen Menschen aus der Klemme: «Was wir wissen, ist, dass es insgesamt 230 abgesetzte Notrufe über die ‹DeafVoice-App› gab», so Wiget. Seit der ersten Lancierung wurde die App rund 3000 Mal heruntergeladen, was einem geschätzten Drittel der in der Schweiz lebenden Gehörlosen entspricht.

Nicht nur von Gehörlosen und Schwerhörigen wurde die App rege genutzt. Auch in mindestens einem Fall von häuslicher Gewalt leistete die App bereits Hilfe, als eine betroffene Person dank moderner Technik einen stillen Alarm auslösen konnte, ohne sich damit selbst in Gefahr zu bringen. Wiget schliesst nicht aus, dass auch Hörende die App in manchen Fällen benutzen können. Er zieht nach den ersten paar Monaten eine positive Zwischenbilanz: «Grundsätzlich sind wir zufrieden, bisher hat sich relativ wenig Korrekturbedarf geäussert. Natürlich sind wir trotzdem ständig daran, die App noch weiter zu perfektionieren.»

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veröffentlicht: 7. November 2023 05:50
aktualisiert: 7. November 2023 05:50
Quelle: ArgoviaToday

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