Deutliche Zeichen

66, 17, 11 – Was diese Zahlen über den FCSG sagen

08.01.2020, 16:36 Uhr
· Online seit 11.05.2018, 11:49 Uhr
Der FC St.Gallen verliert den Kampf um Platz drei, weil er in der Verteidigung löchrig war wie ein Absteiger. «Die Zahlen rund um den FCSG zeigen überdeutlich auf, wo die Klubführung den Hebel ansetzen muss», schreibt Sportjournalist und TVO-Moderator Dominic Ledergerber.
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Eigentlich war St.Gallens 2:3-Niederlage gegen Luzern ganz nach dem Gusto von Präsident Matthias Hüppi: Ein emotionaler Fight, dessen Ausgang die Zuschauer genau deshalb verziehen, weil sie eine aufopferungsvolle Mannschaft und Spektakel gesehen hatten. Als die Spieler nach dem Schlusspfiff niedergeschlagen vor dem Espenblock erschienen, gab es zwar nur verhaltenen Applaus, Pfiffe hörte man aber keine. Und das, obwohl der FC St.Gallen gerade den Kampf um Platz drei verloren und damit ein wichtiges Saisonziel verpasste hatte.

Viel Spektakel

Spektakel ist auch im Jargon von Sportchef Alain Sutter ein Schlüsselwort. «Es geht nicht nur um das Resultat, sondern auch darum, dass sich der Zuschauer unterhalten fühlt. Dann ist es auch okay, wenn mal ein Spiel mit 3:4 verloren geht», sagte Sutter im Februar gegenüber TVO. Tatsächlich hatte das «Spektakel-Barometer» unter der neuen Führung aufsteigende Tendenz: In der Vorrunde fielen in den Partien mit St.Galler Beteiligung durchschnittlich 3,2 Tore, in der zweiten Saisonhälfte liegt dieser Wert bislang bei über 3,6 Toren pro Spiel.

Dabei geht es dem Duo Hüppi/Sutter nicht in erster Linie um Zahlen. Ein Trainer wie Urs Fischer etwa entspricht nur schon deshalb nicht den Vorstellungen der FCSG-Führung, weil er im Ruf steht, einen resultat-orientierten Fussball zu bevorzugen. Doch die Zahlen, welche die Saison 2017/2018 ausspuckt, lügen nicht und verdienen deshalb genaue Beachtung.

Löchrig wie im Abstiegsjahr 2011

66 Gegentore hat der FC St.Gallen in den bislang 34 Meisterschaftsspielen kassiert. Das sind 30 mehr als vor fünf Jahren, als sich die Espen den dritten Schlussrang und später auch die Teilnahme an der Europa League-Gruppenphase sicherten. Und nur eines weniger als in der Saison 2010/2011, an deren Ende der Abstieg in die Challenge League stand. Egal ob mit Dreier- oder Vierer-Abwehrkette, egal ob mit Daniel Lopar (Vorrunde) oder Dejan Stojanovic (Rückrunde) zwischen den Pfosten: Defensiv präsentierte sich der FCSG löchrig wie ein Absteiger, was wohl der Hauptgrund dafür ist, weshalb die Ostschweizer Platz drei nicht halten konnten.

«Die Offensive gewinnt Spiele, die Defensive gewinnt Meisterschaften», ist ein Zitat, das Tranquillo Barnettas Ex-Trainer Jupp Heynckes zugeschrieben wird. Hinsichtlich der kommenden Saison scheint deshalb klar: Der FC St.Gallen braucht einen Abwehrboss. Eine Rolle, für die Alain Wiss die Konstanz zu oft fehlte, die Silvan Hefti und Jasper van der Werff noch nicht ausfüllen können und Karim Haggui nie mehr ausfüllen wird. Ein Pendant zu Typen wie Steve von Bergen (YB) oder Marek Suchy (Basel).

Mehr Pleiten als Sion

Das 2:3 gegen Luzern war in dieser Saison überdies die elfte (!) Partie mit mindestens drei Gegentoren. Zum Vergleich: Unter Joe Zinnbauer gab es in der vergangenen Spielzeit nur gerade sechs solche Spiele, wobei mir neu wäre, dass das «fränkische Missverständnis» an der Seitenlinie je für defensive Ordnung gerühmt worden wäre.

Dazu kassierte der FCSG bislang 17 Niederlagen, eine mehr noch als der akut abstiegsgefährdete FC Sion und gleich viele wie in der Vorsaison, als die St.Galler ihrerseits beinahe abgestiegen wären. Eigentlich grotesk, dass die Espen anhand der vielen Pleiten noch bis Mittwoch auf Platz drei schielen durften.

Die Null muss stehen

Trotz eines offensichtlichen Mangels an Stabilität in der Verteidigung wurde rund um den FC St.Gallen aber vielmehr ein Stürmerproblem heraufbeschworen. Die Flucht von Albian Ajeti zum FC Basel setzten viele Beobachter mit dem gänzlichen Verlust der offensiven Potenz gleich. Doch das Gegenteil traf ein: Neben Ajeti reihten sich weitere 17 (!) Spieler in die St.Galler Torschützenliste ein, die 50 erzielten Tore sind hinter YB und Basel der drittbeste Wert der Liga.

Schade um diese 50 Tore! Der FC St.Gallen kassierte nicht nur am Mittwoch im Showdown gegen Luzern das eine Tor zu viel. Die Devise für die kommende Spielzeit lautet deshalb zwangsläufig: Die Null muss stehen. 66 Gegentore, 17 Niederlagen, elf Spiele mit mindestens drei Gegentoren – die Zahlen rund um den FCSG zeigen überdeutlich auf, wo die Klubführung den Hebel ansetzen muss.

Und vielleicht gelangen die Verantwortlichen bei der Analyse dieser aussergewöhnlichen Saison zur Erkenntnis, dass ein Resultattrainer für den FC St.Gallen gar nicht mal so verkehrt wäre. «Als Trainer werde ich am Ergebnis gemessen, deshalb brauche ich gute Spieler», sagte im April dieses Jahres ein Trainer, der bei den Grasshoppers im Gespräch gewesen sein soll. Es war Marcel Koller.

veröffentlicht: 11. Mai 2018 11:49
aktualisiert: 8. Januar 2020 16:36
Quelle: FM1Today

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