Noch hat sich Giulia Steingruber in der Öffentlichkeit nicht zu ihren Zukunftsplänen geäussert. Es ist aber so gut wie sicher, dass die dritten Olympischen Spiele der 27-jährigen St. Gallerin ihre letzten sein werden. Nachdem sie 2012 die Jüngste der Schweizer Delegation gewesen ist und 2016 in Rio de Janeiro diese als Fahnenträgerin angeführt hat, soll sich für die erfolgreichste Schweizer Kunstturnerin der Geschichte in Tokio der Kreis schliessen.
«Man darf nicht zuviel erwarten, was drumherum läuft», sagt Steingruber. Es werde aufgrund der Corona-Situation sicherlich nicht alles wie gewohnt ablaufen, Geduld sei gefragt. «Aber es sind Olympische Spiele, der Höhepunkt einer Karriere, auf den wir alle hart hingearbeitet haben.»
«Gute und weniger gute Tage»
Steingrubers Vorbereitung auf das Saisonhighlight verlief nicht ideal. Der Muskelfaserriss im Oberschenkel, den sie sich Mitte April kurz vor der EM in Basel zugezogen hatte, machte ihr länger zu schaffen als gedacht. Vor allem am Sprung und am Boden, ihren stärksten Disziplinen, konnte sie während Wochen nicht oder nur reduziert trainieren.
«Es gab gute und weniger gute Tage», sagt Steingruber. «Aber ich machte das Beste daraus.» Die Aufnahme eines neuen Sprungs in ihr Repertoire für Tokio blieb damit ein Ding der Unmöglichkeit. Auch in Japan wird Steingruber den Tschussowitina und den Jurtschenko mit einer Doppelschraube zeigen.
Auch wenn vor allem die Konkurrenz aus Nordamerika schwieriger turnen wird und Steingruber nur Aussenseiterchancen auf eine Medaille besitzt, ist sie bei perfekter Ausführung der beiden Sprünge nicht chancenlos. Mit diesem Programm gewann sie vor fünf Jahren in Rio Olympia- und ein Jahr später in Montreal WM-Bronze. Ebenso holte sie damit in Basel überlegen ihren vierten EM-Titel - Muskelfaserriss hin oder her. Auch im Mehrkampf und am Boden strebt Steingruber die Qualifikation für den Final an.
Das Team im Fokus
Die Schweizer Männer schafften zum zweiten Mal in Folge die Qualifikation für Olympische Spiele mit dem Team, nachdem dies dem Schweizerischen Turnverband zuvor 24 Jahre nicht gelungen war. Mit Christian Baumann, Pablo Brägger, Benjamin Gischard und Eddy Yusof setzten sich jene Athleten in der internen Qualifikation durch, die bereits vor fünf Jahren nach Rio gereist waren. Vom damaligen Quintett fehlt Oliver Hegi, der im Frühjahr zurückgetreten ist.
Im Fokus steht die Teamwertung, in der die Schweizer etwas gutzumachen haben. Vor fünf Jahren hatten sie den Final der besten acht als Neunte knapp verpasst, nun soll dieser Tatsache werden. Die Resultate der EM in Basel stimmen positiv. Brägger belegte im Mehrkampf den sehr guten 5. Rang, Gischard (am Boden) und Baumann (am Barren) sicherten sich Edelmetall. Yusof, der in Basel wegen Rückenproblemen fehlte, überzeugte in der Vorbereitung mit dem Gewinn des Schweizer Meistertitels.
Besonders für Brägger werden die Wettkämpfe in Tokio speziell, beendet der 28-jährige Ostschweizer doch danach seine Karriere. Ihm wird am ehesten zugetraut, an einem Einzel-Gerät für ein Top-Ergebnis zu sorgen. Der Reck-Europameister von 2017 hat an seinem Paradegerät auf der weltweiten Bühne noch eine Rechnung offen. Gelingt ihm die Übung in der Qualifikation gut, wird Brägger am Königsgerät um die Medaillen kämpfen.