Die neue Angst der Trainer vor der Roten Karte

29.07.2019, 18:56 Uhr
· Online seit 29.07.2019, 18:25 Uhr
Julian Nagelsmann ist wie viele seiner Trainerkollegen im Spiel hoch emotional. Da fliegt auch schon mal eine Flasche. In Zukunft könnte das eine Sperre nach sich ziehen.
Anzeige

Nicht nur Nagelsmann würde die neue DFB-Regel mit Gelb und Rot gegen Trainer am liebsten sofort wieder abschaffen. Die Schiedsrichter allerdings sehen keinen Grund zur Hysterie. «Die Tests mit Signalkarten bei Verwarnungen und Feldverweisen für unsportliches Betragen von Trainern, Betreuern oder Vereinsoffiziellen verliefen vielversprechend und offenbarten deutliche Vorteile, da deutlich mehr Transparenz erzielt wurde», erklärte DFB-Lehrwart Lutz Wagner in einem am Montag veröffentlichten Interview mit dfb.de. Und verteidigte damit die Einführung von Gelben Karten und Sperren für Fehlverhalten von Coaches und Teamoffiziellen.

Während sich Trainer wie Leipzigs Nagelsmann, Düsseldorfs Friedhelm Funkel oder Ante Covic von Hertha BSC in ihrem Coaching eingeschränkt sehen, sieht Wagner nur Vorteile. Zumal keine grundlegend anderen Richtlinien oder Regeln aufgestellt worden seien. «Die Möglichkeit einer mündlichen Ermahnung, die deeskalierend wirkt, bleibt bestehen. Wir setzen also weiterhin auf Kommunikation und auf ein gelebtes Miteinander auf und neben dem Platz», erklärte Wagner. Aber: «Wer die Grundsätze des Fair Play verletzt bzw. respektlos agiert, der muss auch mit Sanktionen rechnen.»

Gelbe und Rote Karten für Trainer sind mit Saisonbeginn möglich. Das hatte das für Fussball-Regeln zuständige International Football Association Board (IFAB) bei seiner Sitzung im März beschlossen. Der Weltverband FIFA machte daraufhin eine Mindestsperre von einem Spiel wie auch für Spieler bei einer Roten Karte verpflichtend. Zwingende Vorgaben auf Sperren bei Gelben Karten gibt es aber nicht. In der Bundesliga könnte es auf drei hinauslaufen. Die Deutsche Fussball Liga wird am 21. August in Berlin darüber diskutieren.

Nagelsmann lehnt Gelbsperren wie viele seiner Kollegen ab. «Ich finde, dass man da an die Menschlichkeit appellieren muss und nicht alles mit Strafen reguliert. Es ist nicht im Sinne der Sache, dass ein Trainer jedes vierte Spiel auf der Tribüne sitzt, nur weil er Emotionen zeigt», sagte der neue Leipziger Trainer am Montag am Rande des Internationalen Trainerkongresses in Kassel.

Die neuen Regeln sind für den 32-Jährige eine grosse Gefahr für die Trainergilde. «Ich glaube, dass ein Schiedsrichter viel schneller die Gelbe Karte zeigen wird, als er dich früher auf die Tribüne geschickt hat», sagte er. «Ich wünsche mir, dass man von der Idee abrückt. Warum soll ein Trainer schneller gesperrt werden als ein Spieler? Das macht doch keinen Sinn.» Die Profis müssen erst nach fünf Gelben Karten in einer Saison ein Spiel pausieren.

Die Tatsache, dass «im sehr seltenen Fall des Zweifels» der höchstrangige Trainer, also der Chef, bestraft werde, «dürfte die Suche nach dem wirklich Schuldigen erleichtern», meinte Wagner. Der vorrangige Gedanke bleibe jedoch, dass sich der Trainer für das Verhalten der übrigen Teamoffiziellen verantwortlich fühle.

Dass sich der Umgang zwischen Schiedsrichtern und Trainern durch die neuen Regeln verändern werde, erwartet der 56-Jährige nicht. Auch die Gefahr einer Einschränkung der Trainerarbeit bestehe nicht. «Überhaupt nicht, das ist in keiner Weise Ziel der Regeländerung», betonte Wagner. Die fachliche Arbeit und auch das Mitgehen des Trainers mit dem Team in der Coachingzone seien davon überhaupt nicht betroffen. Denn Emotionen und der Dialog untereinander gehörten zum Fussball dazu. Wagner: «Es wird nur eingeschritten, wenn ein unsportliches Verhalten durch Teamoffizielle an den Tag gelegt wird.»

veröffentlicht: 29. Juli 2019 18:25
aktualisiert: 29. Juli 2019 18:56
Quelle: SDA

Anzeige
Anzeige