Spitzguuge

Yakin hat eine Chance verdient

· Online seit 09.08.2021, 15:35 Uhr
Selten wurde die Wahl eines Schweizer Nationaltrainers derart kontrovers diskutiert wie bei Murat Yakin (46). Sportjournalist Dominic Ledergerber schreibt: «Das Amt des Nati-Trainers ist ein Pulverfass. Doch Yakin ist es zuzutrauen, mit der Schweiz erfolgreich zu sein.»

Quelle: CH Media Video Unit

Anzeige

Die Schweiz hat einen neuen Nationaltrainer: Er heisst Murat Yakin, trainierte zuletzt den Challenge-League-Drittletzten Schaffhausen und ist auf dem Zenit einer Trainer-Karriere angelangt, die im Februar 2008 beim Zweitligisten FC Frauenfeld ihren Lauf nahm.

Schon damals war der heute 46-Jährige kein Unbekannter. Mit Basel und GC wurde Yakin insgesamt fünfmal Schweizer Meister und dreimal Cupsieger, er absolvierte 49 Länderspiele und war dabei stets ein Leitwolf. Auch als Trainer kann Murat Yakin einige Erfolge vorweisen, auch wenn diese schon etwas länger her sind: Mit Thun stieg er in die Super League auf, mit Luzern war er 2011 Cupfinalist und Vizemeister, mit Basel holte er zwei Meistertitel und erreichte 2013 gar die Halbfinals der Europa League.

Quelle: CH Media Video Unit / Twitter

Kurzum: Der Nachfolger von Vladimir Petkovic (57) ist ein Mann mit Renommee. Und dennoch wurde selten eine Wahl zum Schweizer Nationaltrainer kontroverser diskutiert als jene Yakins. «Sehr schlechte Wahl», «Das kann niemals gutgehen» oder «Warum holt man einen Nationaltrainer aus der Challenge League?» schreiben die Skeptiker in den sozialen Medien, während andere dagegen halten, man möge ihn doch erst einmal arbeiten lassen.

Petkovic wurde nie geliebt

Es ist eine Skepsis, mit der sich frühere Nationaltrainer wie etwa Köbi Kuhn oder Ottmar Hitzfeld nicht herumschlagen mussten. Wohl aber Yakins direkter Vorgänger Vladimir Petkovic, der zwar den erfolgreichsten Punkteschnitt aller Schweizer Nationaltrainer erreichte, in diesem Sommer sensationell Weltmeister Frankreich aus dem EM-Turnier warf, von der Bevölkerung aber dennoch nie geliebt wurde.

Es könnte ein Erklärungsansatz sein, weshalb Vladimir Petkovic seinen Vertrag bis nach der WM 2022 nicht erfüllen wollte und stattdessen beim Ligue-1-Mittelfeldclub Girondins Bordeaux anheuerte. Weil man als Schweizer Nationaltrainer auf einem Pulverfass sitzt und den Spagat zwischen den Allüren der Stars und den zuweilen überhöhten Erwartungen in der Bevölkerung schaffen muss.

In einem Land, in dem das Nichtsingen der Nationalhymne ständiges Stammtischthema ist, kam Petkovic sein Migrationshintergrund nicht entgegen. Die Ewiggestrigen, die von einer «eidgenössischen» Nati träumen, werden dies im Falle des Misserfolgs auch Murat Yakin vorhalten, selbst wenn dieser in Basel zur Welt kam und bereits 1992 – auch auf Drängen des damaligen Nationaltrainers Roy Hodgson – eingebürgert wurde.

Verband muss Kommunikationslecks stopfen

Wasser auf die Mühlen der Yakin-Kritiker ist auch die schier endlose Liste an Namen, die durch den medialen Äther gereicht wurde: Lucien Favre, Arsène Wenger, Jogi Löw und Urs Fischer wollten dem Vernehmen nach nicht Schweizer Nationaltrainer werden.

Auch Raphaël Wicky und Bernard Challandes sollen abgesagt haben, worauf es auf ein Duell zwischen Yakin und René Weiler (47) hinausgelaufen sein soll. An manchen Gerüchten dürfte mehr dran gewesen sein als an anderen, doch sie schwächen allesamt den neuen Nationaltrainer, noch bevor dieser sein Amt antritt.

Weil so impliziert wird, dass Murat Yakin bei weitem nicht die erste Wahl des Schweizer Fussballverbandes (SFV) gewesen ist. Weil das Gefühl erweckt wird, dass der neue Nationaltrainer nur deshalb ins Amt gehievt wurde, weil sich niemand anders finden liess.

Es sind Kommunikationslecks, die Yakins Wahl abwerten und die der SFV so schnell wie möglich stopfen muss. Auch im eigenen Interesse.

Spielerführung wichtiger als Palmarès

Am 1. September steht Murat Yakin im Testspiel gegen Griechenland erstmals als Nationaltrainer an der Seitenlinie, bevor es vier Tage später in der WM-Quali gegen Europameister Italien ernst gilt. In seinem neuen Amt muss der Leitwolf unter Beweis stellen, dass er ein Gehör und ein Gespür für sein Rudel hat. Dass er an den Erwartungen der Öffentlichkeit nicht zerbricht und mit den Allüren der Stars umgehen kann.

Gerade Letzteres dürfte für Murat Yakin zum Prüfstein werden, schliesslich sagen ihm Wegbegleiter nach, dass er auf Einsprüche einzelner Spieler zuweilen etwas empfindlich reagieren kann.

Trotzdem ist es dem Petkovic-Nachfolger zuzutrauen, mit dem Schweizer Nationalteam Erfolg zu haben. Die Schweiz hat einen neuen Nationaltrainer: Er heisst Murat Yakin und hat eine Chance verdient.

veröffentlicht: 9. August 2021 15:35
aktualisiert: 9. August 2021 15:35
Quelle: FM1Today

Anzeige
Anzeige