Dass die Schweizerinnen ihr ganz grosses Ziel verpassen würden, hatte sich früh abgezeichnet. Als Steingruber und ihre Kolleginnen die fast volle Hanns-Martin-Schleyer-Halle am frühen Samstagbend zur elften von zwölf Abteilungen betraten, war klar, dass die STV-Riege einen Platz in den Top 12 verpassen würde. Zu stark hatte die Konkurrenz geturnt, zu gering war der Schwierigkeitsgrad der einzelnen Übungen der Schweizerinnen im Vergleich.
Ohne den ganz grossen Druck turnten diese unbeschwert, so dass Nationaltrainer Fabien Martin am Ende konstatieren konnte: «Ich bin zufrieden mit den Mädchen.» Steingruber, Ilaria Käslin, Stefanie Siegenthaler, Caterina Barloggio und Anny Wu kamen ohne Sturz durch ihr Programm und belegten mit 155,761 Punkten Platz 17. Zum Olympia-Ticket fehlten knapp 3,5 Punkte.
Die klar Beste im Schweizer Team war Giulia Steingruber, die erstmals seit Montreal 2017 wieder einen internationalen Titelkampf bestritt. Die fünffache Europameisterin zeigte einen Monat nach dem Comeback nach ihrer Kreuzbandverletzung einen soliden Wettkampf und sicherte sich mit 53,732 Punkten als 19. sowohl einen Platz im Mehrkampf-Final am Donnerstag sowie ein Ticket für die Sommerspiele 2020; Tokio werden die dritten Olympischen Spiele der 25-jährigen Ostschweizerin werden.
Dass Steingruber am Ende nicht ganz zufrieden war, lag an ihrem zweiten Sprung, dem Jurtschenko mit Doppelschraube. Relativ kurzfristig hatte sie entschieden, diesen in Stuttgart zu zeigen, nachdem er ihr im Training gleich von Beginn an wieder gut geglückt war. «So schlecht wie hier, bin ich ihn aber nie gesprungen», sagte Steingruber, die in alte Muster verfiel und die Drehung in der Luft zu spät einleitete. Die Folge war eine unsaubere Landung mit einem Übertritt, der ihr drei Zehntel und damit den Platz im Final der besten acht kostete.
«Es fuchst mich schon», sagte Steingruber, die 2016 Olympia-Bronze und ein Jahr später WM-Bronze am Sprung gewann. «Im Podiumtraining habe ich ihn noch hingestellt.» Auch am Boden war das Glück nicht auf ihrer Seite. Am Ende fehlte ein Zehntel zum Einzug in den Gerätefinal vom Sonntag. «Aber für das, dass ich ein Jahr Out war, war das Ganze nicht so schlecht», zeigte sich Steingruber doch noch versöhnlich.
Simone Biles verewigte sich
Der Höhepunkt bildete zum Abschluss der Tages der Auftritt der Amerikanerinnen und im Speziellen von Simone Biles. Die 14-fache Weltmeisterin zeigte ihre beiden angekündigten Höchstschwierigkeiten, den Doppelsalto mit dreifacher Schraube am Boden, und den Doppelsalto mit Doppelschraube beim Abgang vom Schwebebalken, womit die beiden Elemente in Zukunft ihren Namen tragen werden. Die 22-Jährige gewann mit 59,432 Punkten überlegen die Mehrkampf-Qualifikation und wird auch an jedem der vier Geräte um die Medaillen kämpfen.
Japan musste lange um das Olympia-Ticket zittern, ehe der Gastgeber der Olympischen Spiele 2020 wie Spanien doch noch jubeln konnte. Die Japanerinnen hatten auf Mai Murakami verzichtet. Die Boden-Weltmeisterin von 2017 und WM-Zweite im Mehrkampf von 2018 hatte die interne Qualifikation in Mai wegen einer Rückenverletzung verpasst.