Liniger bestritt 214 Länderspiele und erzielte 902 Tore. 2018 beendete er die Karriere, in der er während sechs Jahren in der Bundesliga spielte und siebenmal Schweizer Meister wurde. In Göteborg verfolgte er die Partien als Experte des Schweizer Fernsehens. «Ich finde es bemerkenswert, wie sich die Mannschaft unter Suter Schritt für Schritt entwickelt hat», sagte der 38-Jährige. Bei Suters Amtsantritt 2016 war Liniger noch dabei. Nach einem Jahr trat er dann aus dem Nationalteam zurück. «Natürlich wusste ich, wo der Weg hinführen kann. Es war für mich ein Abwägen.» Da es für Liniger keine halben Sachen gibt und er eine von Verletzungen geprägte Saison hinter sich hatte, entschloss er sich, die gesamte Energie für seinen Verein Kadetten Schaffhausen einzusetzen. «Es war ein Entscheid, der damals passte. Ich bereue nichts.»
Aktuell vermarktet Liniger Immobilien und spielt seit dem vergangenen Dezember auch wieder Handball. Er sagte seinem früheren Teamkollegen Urs Schärer bis Ende April zu. Dieser trainiert den Erstligisten Frauenfeld, der aufsteigen will. «Ich habe den Teamsport vermisst», begründete der Vater zweier Töchter. Es war ihm jedoch wichtig, Abstand vom Sport zu gewinnen. «Ich wurde häufig gefragt, warum ich nicht Trainer werde oder etwas im Verband mache. Das läuft nicht davon. Vorher gab es in meinem Leben nur Handball. Nun habe ich die Möglichkeit, auch anderes zu sehen. Aber natürlich ist mein Plan, immer mit dem Sport verbunden zu sein. Das ist meine Passion.» Deshalb hat er Sportbusiness-Management studiert.
Aktuell stimmt für Liniger die Kombination zwischen Arbeit und TV-Experte. Was zeichnet Suter neben dem Ehrgeiz und dem Perfektionismus aus? «Er weiss, wie er mit jedem Einzelnen umgehen muss. Du merkst, dass er den Draht zu den Spielern hat, ihnen nicht einfach nur fachlich etwas vermittelt.» Ganz entscheidend ist für Liniger zudem, dass Suter «jedem vom ersten Tag an das leistungsorientierte Denken vermittelt hat. Handball ist nochmals etwas athletischer und schneller geworden. Es verzeiht weniger als früher. Handball muss die Priorität Nummer eins sein im Leben, um eine Chance zu haben, auf diesem Niveau zu bestehen.»
Das haben die Spieler verstanden. Mittlerweile sind acht Schweizer im Ausland tätig. Als Suter sein Amt antrat, waren es aus dem aktuellen Kader zwei - Andy Schmid und Alen Milosevic. «Es ist nicht so, dass Andy und ich früher nicht auf die Jungen mit Potenzial einredeten, sie sollen diesen Schritt wagen. Die Mentalität der Spieler war damals aber eine andere als jetzt. Heute sehen sie das Ausland nicht mehr als Risiko, sondern als Chance», so Liniger.
Der Lohn war die erste Teilnahme an einer EM-Endrunde seit 2006. Von diesem Hintergrund gesehen, geht der 3. Platz in der Gruppe F in Ordnung. Slowenien, WM-Dritter 2017, und der vierfache Europameister Schweden befinden sich schlichtweg noch in einer anderen Liga. Das ist die Realität. Gegen das sich auf Augenhöhe befindende Polen zeigte die SHV-Auswahl eine starke Leistung und gewann 31:24.
Zwar hatten viele Spieler aus dem Schweizer Team schon an internationalen Junioren-Meisterschaften teilgenommen; Andy Schmid war der einzige mit EM-Erfahrung. «Das kannst du jedoch nicht vergleichen», betonte Liniger. «Du musst das (eine EM) einmal erlebt haben. Man darf nicht unterschätzen, was die gemachten Erfahrungen für eine nächste Qualifikation oder für eine nächste Teilnahme bewirken können. Insofern war die EM bloss eine Etappe für diese Mannschaft. Es geht nun darum, den Weg aufrechtzuerhalten.»
Was ist mit diesem Team möglich? «Das ist nach oben offen. Das Potenzial ist riesig. Die vielen jungen Spieler haben noch etliche Jahre vor sich. Das Denken von Michi (Suter) ist ebenfalls etwas, das mich positiv stimmt. Er denkt jetzt schon wieder viel weiter. Er ist einer, der das Maximum aus der Mannschaft herausholt. Wir sind sicher noch nicht am Ende der Entwicklung.»