Die Überführungsetappe von Gap nach Privas hielt lange, was man sich von ihr versprochen hatte, nämlich kaum Unterhaltung. Die Favoriten auf den Gesamtsieg hielten sich auf dem flachen Terrain im Südosten Frankreichs zurück und da sich auf dem 183 km langen Teilstück auch keine Ausreisser versuchten, waren auch deren Teams nicht mit Nachführarbeit beschäftigt. Selbst als im letzten Rennviertel in der Rhone-Ebene der gefürchtete Wind Einfluss nahm, wurde keiner der Topfavoriten auf dem falschen Fuss erwischt. Auch dann nicht, als das Team Ineos um Vorjahressieger Egan Bernal zu einem Sondereffort ansetzte und versuchte, eine Zäsur im Feld herbeizuführen.
So erreichte Alaphilippe, der sich nach seinem Sieg in der 2. Etappe am Sonntag an die Spitze des Gesamtklassement gesetzt hatte, das Ziel mit dem Feld. Trotzdem durfte sich der Franzose nicht neuerlich ins gelbe Leadertrikot einkleiden lassen. Rund eine halbe Stunde nach der Zielankunft folgte für «Chouchou», den Liebling der französischen Fans, die Schreckensnachricht: Die Rennjury belegte den 28-Jährigen vom Team Deceuninck-Quick Step mit einer Zeitstrafe, weil er innerhalb der letzten 20 km verbotenerweise eine Trinkflasche von seinem Team entgegen genommen hatte. Alaphilippe erhielt 20 Strafsekunden aufgebrummt, was ihn in der Gesamtwertung auf den 16. Platz zurückfallen liess.
Der fünffache Tour-Etappensieger trug das Verdikt mit Fassung. «Es ist der Entscheid der Jury, den muss man akzeptieren. Ich bin mir aber keiner Schuld bewusst», kommentierte er die Zeitstrafe und fügte hinzu: «Wenn es so ist, kein Problem. Ich werde morgen wieder aufstehen und dann sprechen wir nicht mehr darüber.»
Yates: «Niemand will das Gelbe Trikot so bekommen»
So erschien bei der Zeremonie des Gesamtleaders der Brite Adam Yates auf dem Podium. «Ich denke, niemand will das Gelbe Trikot so bekommen. Man will es durch einen Sieg erobern oder indem man Zeit gutmacht. Aber es ist wie es ist», meinte Yates, der sich bereits zum Duschen im Bus befand, als er vom Vorfall erfuhr. Das Gesamtklassement führt der 28-jährige Brite aus der Equipe Mitchelton nun drei respektive sieben Sekunden vor den Slowenen Primoz Roglic und Tadej Pogacar an.
Das Tragen des Maillot jaune ist für Yates der grösste Erfolg seiner Karriere, dabei wollte er sich bei der Grand Boucle eigentlich nur auf Etappensiege konzentrieren. Sein weitaus erfolgreicherer Zwillingsbruder Simon Yates gewann im Vorjahr gleich zwei Teilstücke der Frankreich-Rundfahrt.
Auf der 6. Etappe vom Donnerstag wird Adam Yates vor allem auf den letzten 50 km gefordert sein, wenn im Zentralmassiv drei Bergwertungen zu bewältigen sind.
Van Aert weiter in Topform
Nach dem Trubel um Alaphilippe rückte der Etappenerfolg von Wout van Aert beinahe in den Hintergrund. Nur einen Tag nach dem Tagessieg von Topfavorit Roglic schlug damit ein weiterer Fahrer aus der niederländischen Equipe Jumbo-Visma zu.
Der in Frankreich als Helfer engagierte Van Aert verwies im erwarteten Massensprint den Niederländer Cees Bol um eine halbe Radlänge auf den 2. Platz. Im August hatte Van Aert nach dem Neustart der Rad-Saison in Italien bereits den Klassiker Mailand - Sanremo und die Strade Bianche für sich entschieden. Nun sicherte sich der dreifache Quer-Weltmeister den zweiten Etappensieg im Rahmen der Frankreich-Rundfahrt, nachdem er 2019 in der 10. Etappe triumphiert hatte.