Deutschland

Geringere Wahlbeteiligung als 2017, aber Warteschlangen in Berlin

26.09.2021, 19:20 Uhr
· Online seit 26.09.2021, 15:55 Uhr
Bei der Bundestagswahl in Deutschland zeichnete sich nach ersten Prognosen der Fernsehsender um 18 Uhr ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Christ- und Sozialdemokraten ab. Das ZDF sah die SPD mit Kanzlerkandidat Olaf Scholz in Front. Nach Berechnungen der ARD lagen beide gleichauf.
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Nach den Berechnungen von ARD und ZDF (18 Uhr) kam die SPD mit Kanzlerkandidat Olaf Scholz auf 25 bis 26 Prozent (2017: 20,5). Die CDU/CSU mit Spitzenmann Armin Laschet büsste rund sieben Punkte ein und landete bei 24 bis 25 Prozent (2017: 32,9).

Auf dem dritten Platz rangieren die Grünen mit Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock mit 14,5 bis 15 Prozent (2017: 8,9), die ihren Stimmenanteil damit annähernd verdoppelten.

Die rechtspopulistische AfD erreichte 10 bis 11 Prozent (2017: 12,6), die FDP (Liberale) 11 bis 12 Prozent (2017: 10,7). Die Partei Die Linke kam auf 5 Prozent (2017: 9,2).

Die Prognosen basieren auf Befragungen von Wählern nach der Stimmabgabe. Die hohe Zahl der Briefwahlstimmen wurde nicht berücksichtigt. Mit ersten Hochrechnungen, die auf bereits ausgezählten Stimmen basieren, wird in Kürze gerechnet. Das vorläufige amtliche Endergebnis wird nach Mitternacht erwartet.

Geringere Wahlbeteiligung als 2017

Rund 60,4 Millionen Wahlberechtigte waren aufgerufen, über die politischen Kräfteverhältnisse in Europas grösster Volkswirtschaft für die kommenden vier Jahre zu entscheiden.

Nach Angaben des Bundeswahlleiters hatten vor Ort bis 14 Uhr 36,5 Prozent aller Wahlberechtigten ihre Stimmen abgegeben. Bei der Bundestagswahl 2017 hatte die Beteiligung in den Wahllokalen bis 14 Uhr bei 41,1 Prozent gelegen. Die Stimmen der Briefwähler zählen bei der in den Wahllokalen ermittelten Wahlbeteiligung nicht mit. Der Zwischenstand wurde auf Grundlage der Wahlbeteiligung in ausgewählten Wahllokalen für ganz Deutschland ermittelt.

Lange Schlangen vor Berlins Wahllokalen

Wahlberechtigte mussten mitunter länger als eine Stunde bis zum Kreuz in der Wahlkabine anstehen. Der Bezirk Mitte meldete für das Wahllokal 100 zeitweise sogar Wartezeiten von mehr als zwei Stunden.

Gleich vier Entscheidungen mit entsprechend vielen und teils langen Wahlzetteln standen an. Neben der deutschen Bundestagswahl lief auch die Wahl zum Abgeordnetenhaus. Zudem wurde über zwölf Bezirksparlamente neu bestimmt. Ausserdem konnten Wählerinnen und Wähler darüber abstimmen, ob grosse Wohnungskonzerne mit mehr als 3000 Wohnungen enteignet werden sollen. Nach Angaben der Landeswahlleitung gab es in Berlin noch nie so viele Abstimmungen an einem Tag.

Laschets Fauxpas bei der Stimmabgabe

Quelle: CH Media Video Unit / AP

Das sind die Kanditaten und die Kanditatin

Die Nase vorne in den Umfragen haben seit Wochen die Sozialdemokraten mit Kanzlerkandidat Olaf Scholz, dem bisherigen Bundesfinanzminister und Vizekanzler in Merkels schwarz-roter Koalition. Kanzlerkandidat von CDU und ihrer bayerischen Schwesterpartei CSU ist der CDU-Vorsitzende und nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet.

Für die Grünen bewirbt sich die Co-Vorsitzende Annalena Baerbock. Es ist das erste Mal in der gut 40-jährigen Geschichte der Öko-Partei, dass diese eine Kanzlerkandidatin aufgestellt hat.

Der Kanzler oder die Kanzlerin wird vom Parlament gewählt

Der Bundeskanzler wird in Deutschland nicht direkt gewählt, sondern vom neuen Parlament. Die Person des Spitzenkandidaten spielt aber bei der Entscheidung für eine Partei eine grosse Rolle. In den jüngsten Umfragen lag die SPD bei 25 bis 26 Prozent und die CDU/CSU bei 23 bis 25 Prozent. Die Grünen rangierten bei 16 bis 17 Prozent.

Scholz geniesst unter allen drei Kanzlerkandidaten in der Bevölkerung die höchste Zustimmung. Im ZDF-Politbarometer war er der einzige der drei Bewerber, den eine Mehrheit der Befragten als geeignet für das Kanzleramt hält.

Da keine Partei auch nur annähernd einer absoluten Mehrheit nahe kommt, könnte sich die Regierungsbildung nach der Wahl schwierig gestalten. Am wahrscheinlichsten ist ein Dreierbündnis. Denkbar wäre eine «Ampel» (Rot-Gelb-Grün) aus SPD, Grünen und Liberalen (FDP) oder ein rot-grün-rotes Linksbündnis aus SPD, Grünen und der Partei Die Linke. In beiden Fällen würde Scholz Kanzler.

Laschet könnte seinerseits versuchen, eine «Jamaika»-Koalition (Schwarz-Gelb-Grün) mit Liberalen und Grünen zu bilden. Auch eine Dreier-Koalition aus SPD, CDU/CSU und FDP ist denkbar. Je nach Sitzverteilung könnte es auch für ein Zweier-Bündnis aus den bisherigen Koalitionspartnern CDU/CSU und SPD reichen, eine sehr unwahrscheinliche Variante.

Längere Sondierungsphase für die Koalition wird erwartet

In Deutschland wird der Kandidat der stärksten Partei nicht automatisch Bundeskanzler. Nötig ist, dass der Bewerber die sogenannte «Kanzlermehrheit», also die Mehrheit der Mitglieder des Bundestages, hinter sich bekommt. Unter den sozialdemokratischen Kanzlern Willy Brandt (1969-1974) und Helmut Schmidt (1974-1982) war die SPD die meiste Zeit nur zweitstärkste Fraktion im Bundestag, hatte aber zusammen mit ihrem Koalitionspartner FDP eine Mehrheit.

Es ist also möglich, dass nach der Wahl vom Sonntag sowohl Scholz als auch Laschet die Chance haben, eine Regierung zu bilden. Deshalb ist eine längere Sondierungsphase zwischen den Parteien nicht auszuschliessen. Merkels Amtszeit endet mit der Konstituierung des Bundestags einen Monat nach der Wahl. Sie würde aber bis zur Vereidigung eines Nachfolgers geschäftsführend im Amt bleiben.

Zum Teil werden auch Regionalparlamente gewählt

Derzeit wird Deutschland von einer schwarz-roten Koalition aus CDU/CSU und SPD regiert. Bei der Bundestagswahl 2017 wurde die Union mit 32,9 Prozent stärkste Kraft, gefolgt von der SPD mit 20,5 Prozent. Die rechtspopulistische AfD zog mit 12,6 Prozent erstmals ins Parlament ein. Viertstärkste Fraktion wurde die FDP (Liberale) mit 10,7 Prozent vor der Linken (9,2) und Grünen (8,9).

Zeitgleich mit der Bundestagswahl werden in den Bundesländern Berlin und Mecklenburg-Vorpommern neue Regionalparlamente gewählt. In beiden Ländern liegen die Sozialdemokraten in den Umfragen vorne.

veröffentlicht: 26. September 2021 15:55
aktualisiert: 26. September 2021 19:20
Quelle: sda

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