Wissenschaft

In Zukunft könnten auch Menschen Winterschlaf halten

· Online seit 02.12.2019, 06:15 Uhr
Für viele Tiere ist der Winterschlaf eine überlebenswichtige Phase im Jahr. Die Fähigkeit zum Winterschlaf könnte aber auch für Menschen interessant sein. Wissenschaftler weisen dazu erste Ergebnisse vor.
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Es ist kalt, nass und sobald der Schnee kommt, findet man draussen nicht mehr viel zu fressen. Viele Tiere haben sich deswegen bereits schlafen gelegt und kriechen erst im Frühjahr wieder aus ihren gemütlichen Höhlen. 

Etwas groggy werden sie dann wohl noch sein - kein Wunder nach monatelangem Dornröschen-Schlaf - aber sonst sind sie quietschfidel. In der Schweiz halten unter anderem Siebenschläfer, Fledermäuse, Igel oder Murmeltiere Winterschlaf. 

Die Murmeli sind dabei besonders herzig: Sie pflegen einen sozialen Winterschlaf. Die ganze Gruppe kuschelt sich in einer Höhle zusammen, damit es alle zusammen schön warm haben. 

Für uns Menschen ist es zum neidisch werden: Die Tiere schlagen sich monatelang den Wanst voll, legen sich während der kalten Monate schlafen und sind pünktlich auf die Badesaison wieder schlank und rank. Nur können Menschen gar keinen Winterschlaf halten. Oder?

Wissenschaftler forschen daran

Zwischen den Organismen von Menschen und zum Winterschlaf fähiger Tiere bestehen natürlich grosse Unterschiede. Igel fahren ihren Stoffwechsel und den Puls stark herunter, ihr Herz schlägt anstatt 200 mal pro Minute nur noch fünf mal. 

Dazu ist der Mensch nicht ohne weiteres fähig. Zumindest nicht in seinem jetzigen Zustand. In Zukunft könnte sich das aber ändern, sagt Heiko Jansen, Studienleiter an der Washington State University gegenüber der «New York Times»: «Wir wissen, dass wir Zellen energetisch beeinflussen können. Im Moment sind wir aber noch weit entfernt, das umzusetzen.» 

Ein menschlicher Winterschlaf wäre möglicherweise eine Voraussetzung für die Eroberung des Weltalls. Mit der heutigen Technologie dauert eine Reise zum Mars gut zweieinhalb Jahre. In dieser Zeit würden die Astronauten ohne Winterschlaf eine Menge Nahrung, Sauerstoff und Wasser brauchen. 

Klingt nach Science Fiction, es gibt aber auch terrestrischere Anwendungsmöglichkeiten.

Eine Organbank im Winterschlaf

Ein Molekularbiologe erkannte bei der Beobachtung von Zieseln (einer Art am Boden lebendes Eichhörnchen), dass diese nach dem Erwachen aus dem Winterschlaf vermehrt Melatonin ausschütten. Dies hilft ihnen dabei, die Zellen zu schützen, wenn das Blut erstmals seit Monaten wieder stärker zirkuliert.

Mit seinem Team stellte der Forscher deswegen einen Melatonin-Cocktail zusammen, der in Zukunft Personen verabreicht werden soll, die grossen Blutverlust erlitten haben, um sie vor einem hämorrhagischen Schock zu bewahren. 

Die wichtigste Forschungsrichtung dürfte aber die der Organtransplantation sein. Nieren oder Lebern können nicht länger als einen Tag gekühlt und frisch gehalten werden. Danach sind sie für wartende Empfänger nicht mehr von Nutzen.

Bei Herzen oder Lungen sind es sogar nur vier bis sechs Stunden. Der Aufbau einer Organbank, einem grossen Lager, war deswegen bisher unmöglich. Anders aussehen würde es, wenn man die Organe in den Stand-by-Modus versetzen könnte, so wie es lebende Tiere im Winterschlaf tun. 

Derzeit ist das alles noch Zukunftsmusik. Eines Tages wird die Menschheit aus dem wohlverdienten Winterschlaf unserer pelzigen Freunde möglicherweise einen Nutzen ziehen können. Aber bis dahin lassen wir sie schlafen und beneiden vor allem die Murmeltiere um ihre kuschlige gemeinsame Schlafhöhle. 

veröffentlicht: 2. Dezember 2019 06:15
aktualisiert: 2. Dezember 2019 06:15
Quelle: FM1Today

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