Wirtschaft

Der Schweiz geht der Schnaps aus

Der Schweiz geht der Schnaps aus

07.06.2017, 20:27 Uhr
· Online seit 07.06.2017, 18:13 Uhr
Schnee, Bise und Frost im April haben den Obstkulturen in der Schweiz zugesetzt. Dies hat fatale Folgen für die Schweizer Tafelobstproduktion. Besonders hart betroffen sind die Schweizer Brennereien. Ihnen fehlen die Rohstoffe. Es wird sogar befürchtet, dass der Schweiz der Schnaps ausgeht. Die Brenner rufen deshalb dazu auf, die Früchte aus dem Garten bei ihnen vorbei zu bringen.
Stephanie Martina
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Der «Kaffee fertig» zum Après-Ski, die Zuger Kirschtorte, das Canärli für einen wohligen Schlaf oder das Apricotine als Absackerli nach dem Essen. Diese Vergnügen dürften im laufenden Jahr zunehmend seltener werden. Die Schweizer Brenner rechnen nämlich mit einem veritablen Notstand. «Die letzten beiden Jahre lieferten schon keine ausserordentlich gute Ernte, dieses Jahr gibt es eine katastrophale Ernte. Es kommen düstere Zeiten auf die Schnapsbrenner zu», sagt Augustin Mettler, Präsident des Fachbereichs Brennerei beim Schweizer Obstverband, der als Branchenverband einen Grossteil der verbliebenen Schweizer Brennereien vertritt.

Der Frost im April hat den Obst-Kulturen massiv zugesetzt. Besonders betroffen sind die Kirschen, die Zwetschgen und Aprikosen. Experten gehen von Ernteausfällen bei den Kirschen von fast 80 Prozent aus, bei den Zwetschgen von etwa 70 Prozent und bei den Aprikosen von gut 50 Prozent. Etwas weniger betroffen vom Frost sind die Äpfel und Birnen. Von den Erntemengen dürfte nur ein Bruchteil im Fass landen. Denn die bereits knapp verfügbaren Früchte werden vorerst als Tafelobst verkauft. Nur was übrig bleibt, kommt üblicherweise ins Fass.

Schlechte Ernten in den Vorjahren

Das hat dramatische Folgen. Im Brennjahr 2015/2016 belief sich gemäss der Auswertung der Eidgenössischen Alkoholverwaltung die Schweizerische Produktion inländischer Spirituosen auf 12'106 Hektoliter reinen Alkohols (HlrA). Dies entspricht einem Rückgang von 26 Prozent gegenüber dem vorherigen Brennjahr (16'360 HlrA).

Für das Brennjahr 2016/17 liegen noch keine offiziellen Zahlen vor. Fast alle Brenner bestätigen aber, dass es in diesem Brennjahr schwierig war, die gewünschten Rohstoffmengen zu erhalten. Mit dem zu erwarteten Einbruch droht nun ein Desaster. Bereits jetzt schon bemühen sich die Brennereien verzweifelt, an das nötige Brennmaterial heran zukommen und versuchen, bei bekannten Obstbauern die Mengen für sich zu reservieren.

Eine Schweizer Kultur droht zu verschwinden

Die Versorgungsknappheit trifft die Schweizer Brennereien äusserst hart, denn die Branche kämpft seit längerer Zeit ums Überleben. Die Marktliberalisierung Ende der 90er Jahr, die harte Konkurrenz aus dem Ausland und die veränderten Konsumgewohnheiten der Schweizer machen den Schweizer Produzenten das Leben schwer. Immer mehr Brennereien schliessen ihre Türe für immer.

Er zeigt sich besorgt. «Die Brenner in  der Schweiz sind von den Frostschäden genauso betroffen wie das Tafelobst. Die Frostkatastrophe ist ein weiterer herber Schlag für unsere Brennereien. Viele Betriebe sind in ihrer Existenz bedroht.»

Laut Mettler verschwindet mit der Schliessung einer Brennerei ein Stück Schweizer Kulturgut. Es dürfe nicht vergessen werden, dass die Schweiz bis anhin eine äusserste interessante Brennerkultur mit vielseitigen Produkten kennt. Es wäre bedauerlich, wenn es dieses Kulturgut aus der Schweiz nicht mehr gäbe.

«Bringt uns eure Früchte!»

Augustin Mettler ist so verzweifelt, dass er gar Privatpersonen darum bittet, ihre Früchte zum nahegelegenen Schnapsbrenner zu bringen. «Wenn eine Privatperson einen Zwetschgen- oder Kirschenbaum im Garten hat, der Früchte trägt, soll er diese doch bitte zum nächsten Schnapsbrenner bringen.» Auch einzelne Früchte von Landwirten seien mehr als willkommen.

Import von Rohstoffen ist keine Lösung

Um die kurzfristige Knappheit zu überbrücken, gäbe es grundsätzlich die Möglichkeit, ausnahmsweise Rohmaterialien aus dem Ausland zu importieren. Dies ist aber keine Lösung, denn die hiesigen Brenner sind sehr stolz auf ihre Schweizer Produkte. Die meisten Brenner produzieren unter der AOP-Vereinigung. Dies macht es für sie nicht möglich, Rohstoffe zu importieren, sagt Augustin Mettler.

Zudem ist bekanntlich die Mehrzahl der Europäischen Obstregionen vom Frost ebenso betroffen. In ganz Europa ist Obst Mangelware.

Lager könnte Konsument retten

«Einige Produzenten haben noch Schnäpse an Lager, die nun gebraucht werden», sagt Augustin Mettler. So muss dern Konsument nicht zwingend auf den Kirsch verzichten. In einigen Läden kann es aber durchaus sein, dass der Kirsch nicht im Regal steht, dafür kann man auf einen Apfelbrand ausweichen. Ganz auf Schweizer Schnaps verzichten müssen wir demnach nicht.

veröffentlicht: 7. Juni 2017 18:13
aktualisiert: 7. Juni 2017 20:27
Quelle: red.

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