Wirtschaft

«Die Unterstellung ist ungeheuerlich»

«Die Unterstellung ist ungeheuerlich»

23.08.2017, 18:01 Uhr
· Online seit 23.08.2017, 16:34 Uhr
Der Geldgeber Dölf Früh erklärt, weshalb er nach seinem Rücktritt zusätzliche Aktien des FC St.Gallen erworben hat.
Sandro Zulian
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Von Peter B. Birrer / NZZ

Dölf Früh, Sie haben Ihren Aktienanteil erhöht, obschon Sie beim Rücktritt ankündigten, ihr Paket möglichst bald abzustossen. Warum?

Es gibt einen einstimmigen Verwaltungsratsentscheid, wonach die 20 Prozent der Aktien, die die Event AG hielt, bestehenden Aktionären angedient werden sollten. Der langjährige Geldgeber Edgar Oehler und ich haben Aktien übernommen, der Rest ging zum Beispiel an den jetzigen Präsidenten Stefan Hernandez. Ich habe meinen Anteil nicht erhöht, sondern prozentual erhalten. Ich werde ihn sukzessive reduzieren.

Warum geben Sie nicht alle Anteile weg, wie es die abtretende Führung zuletzt im FC Basel getan hat?

Das ist nicht vergleichbar. In Basel ist der Klub verkauft worden. In St.Gallen hat lediglich das Präsidium gewechselt.

Es soll von den früheren Besitzern die Abmachung getroffen worden sein, dass in St.Gallen niemals jemand die Aktienmehrheit halten wird.

Ich habe aus freien Stücken gesagt, dass ich nicht die Mehrheit haben will. Das wäre ein falsches Signal. Ich habe auch jetzt nicht die Aktienmehrheit. Es gibt Interessenten für meinen Aktienanteil. Es sollten generell Personen oder Institutionen aus dem Klubumfeld und aus der Ostschweiz sein.

Es gibt im und um den FC St. Gallen Personen, die Ihre Leistung für den Verein wertschätzen. Ökonomisch wie emotional. Aber sie behaupten, dass der Klub seit 2015 den Kurs nicht mehr halte.

Diese Frage kann ich nicht nachvollziehen. Eine Kurs- oder Strategieänderung hat nicht stattgefunden. Die Eckpfeiler waren und sind nach wie vor die gleichen: Gesunde Finanzen, erfolgreiche Nachwuchsarbeit, Verbesserung der Infrastruktur und eine erste Mannschaft mit dem Ziel, sich in der ersten Ranglistenhälfte der Super League zu klassieren. Ich hoffe, dass das letztgenannte Ziel in der laufenden Saison erreicht wird.

Im Kern geht es um die immer stärker werdende Gruppe um den Nachwuchschef Marco Otero und den Spielerberater Donato Blasucci, die versucht, Einfluss auf den Klub zu nehmen.

Es gibt keine Gruppe Otero/Blasucci, die versucht, Einfluss zu nehmen. Die Unterstellung ist ungeheuerlich. Während meiner Amtszeit hat Donato Blasucci nie versucht, Einfluss auf den Klub oder auf mich auszuüben. Er ist ein Spielerberater wie andere, die mit dem Klub zusammenarbeiten. Andere Berater haben bei uns mehr Spieler als er. Marco Otero ist einer der besten Ausbildner und macht seit Jahren einen hervorragenden Job. Es sind momentan sechs eigene Nachwuchsspieler im Kader der ersten Mannschaft. Es stehen zwölf Spieler aus dem Ausbildungsgefäss, das Otero leitet, in Junioren-Nationalkadern.

Bei Ihrem Rücktritt machten Sie gesundheitliche Gründe geltend. Mehr sagten Sie nicht. Wir hören, dass dies vor dem Hintergrund des Aktienkaufs rund um den Klub zu Spekulationen führt.

Zu Spekulationen nehme ich keine Stellung. Ich habe ernsthafte gesundheitliche Probleme und habe mit dem Rücktritt klare Verhältnisse geschaffen. Nachdem ich über sechs Jahre hinweg praktisch vollamtlich und unentgeltlich für den Klub gearbeitet habe, sollte man zumindest akzeptieren, dass Details zur Krankheit Familiensache sind.

Dölf Früh beantwortete die schriftlichen Fragen mündlich und gab danach eine schriftliche Version zur Publikation frei.

Ökonomisch stabil, sportlich labil

Der bisweilen blinde Rückhalt, den der Unternehmer Dölf Früh in St.Gallen spürt, hat mit dem Ursprung seines Wirkens zu tun. Nachdem der Klub 2008 vom Espenmoos in die Arena im Westen gezogen war, wurde er zum Beispiel dafür, dass ein modernes Haus nicht nur Glück bedeutet. 2010 wandten Geldgeber um Früh mit einer 10-Millionen-Geldspritze den Konkurs ab. Seither herrscht an der ökonomischen Front Ruhe. Doch sportlich gab es Rückschläge.

In der Saison 2011/12 spielten die St.Galler in der Challenge League. Es resultierte ein 5-Millionen-Loch, das man verdaute – dank Früh. Auf dem Rasen wuchs das Team nie länger über sich hinaus, weder unter dem Trainer Uli Forte noch unter Jeff Saibene oder Joe Zinnbauer. Zum Höhepunkt wurden der 3. Rang und die Europa-League-Spiele 2013. Sonst waren die Ostschweizer unter Früh nie besser als im 6. Rang klassiert. Zudem sanken die Zuschauerzahlen tendenziell.

Das Interview sowie die Infobox erschienen erstmals am 23. August 2017 in der NZZ.

veröffentlicht: 23. August 2017 16:34
aktualisiert: 23. August 2017 18:01

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