«Zeugenaussagen sind nicht glaubhaft»

07.03.2019, 19:03 Uhr
· Online seit 07.03.2019, 14:56 Uhr
Beinahe zwölf Jahre nach der brutalen Tat haben Medien den Mordfall Ylenia neu aufgerollt. Doch die St.Galler Staatsanwaltschaft zerpflückt die Version, wonach mehrere Täter an der Entführung und dem Tod der Fünfjährigen beteiligt waren.
Angela Mueller
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Es ist wohl die Unfassbarkeit dieser Tat, die immer wieder zu Spekulationen in der Bevölkerung und in den Medien führen. Auch noch Jahre danach. Der damals 67-jährige Hans Urs von Aesch hatte am 31. Juli 2007 die damals fünfjährige Ylenia in Appenzell entführt und getötet. Danach richtete sich der Mann selbst. Die St.Galler Staatsanwaltschaft hat diesen Tathergang ermittelt und weicht auch jetzt nicht davon ab, nachdem die Medien, unter anderem TVO, aufgrund Zeugenaussagen über weitere mutmassliche Täter spekuliert hatten.

Riesiges Medieninteresse

«Der Öffentlichkeit wurde ein falsches Bild durch die Medien vermittelt. Dieses Bild wird nun korrigiert», mit diesen Worten eröffnete Beatrice Giger, Sprecherin der Staatsanwaltschaft St.Gallen, die Medienkonferenz am Donnerstag.

Das Interesse war riesig, rund zwei Dutzend Medienschaffende aus der Schweiz waren anwesend. «Gewisse Medien werfen der Staatsanwaltschaft vor, im Fall Ylenia unsorgfältig gearbeitet zu haben, doch keinerlei dieser Aussagen lassen sich mit Fakten belegen», sagte Giger. Sie betont, die Kriminalpolizei sei sehr sorgfältig mit den über 1500 eingegangenen Hinweisen aus der Bevölkerung umgegegangen. Es lag an Christoph Ill, oberster Staatsanwalt des Kantons St.Gallen und Stefan Kühne, Leiter der Kriminalpolizei St.Gallen, Red und Antwort zu stehen, auch wenn sie damals nicht in die Ermittlungen involviert waren.

Buchautor und Expolizist hatten recherchiert

Der Buchautor Peter Beutler (Kristallhöhle) und der ehemalige Polizist Roger Sutter hatten zusammen den Fall Ylenia nochmals aufgerollt und kamen zum Schluss, dass mehrere Täter beteiligt gewesen sein mussten.

Doch Giger weisst darauf hin: «Eine lebende und eine verstorbene Personen werden derzeit in den Medien der Mittäterschaft eines Mordes verdächtigt. Für die Staatsanwaltschaft waren und sind sie keine Verdächtigte.» Stefan Kühne, Leiter der Kriminalpolzei, widerlegte vor den Medien minutiös die Hinweise auf mögliche Mittäter, welche die Medien publik machten.

«Klarer Suizid des Täters»

Zur These Hans Urs von Aesch habe nicht Selbstmord begangen, sondern sei von vermeintlichen Mittätern erschossen worden, sagt Kühne, dass alle Beweise für einen Suizid sprechen würden. «Schmauchspuren und Schusslaufbahn weisen auf einen Suizid hin.» Auch sind im weissen Kastenwagen, mit dem der 67-Jährige Ylenia entführt hatte, keinerlei andere Spuren als die des Täters und seines Opfers gefunden worden. Kommt dazu, dass von Aesch suizidgefährdet war. Er hatte darüber mehrfach mit seiner Frau gesprochen.

«Erinnerung wird immer detailreicher»

Auch die Zeugenaussagen von A.R. sind für die Staatsanwaltschaft unglaubwürdig. Dieser hatte einen inzwischen verstorbenen Kollegen, W.F., als Mittäter verdächtigt. Bereits im Jahr 2013 war der Zeuge im Beisein von Autor Peter Beutler von der Polizei vernommen worden.

Doch hatte er damals seine Beobachtungen auf den Mittag, 1. August, datiert. Zu diesem Zeitpunkt war von Aesch bereits tot und der Kastenwagen, den W.F. gesehen haben will, bereits von der Polizei gefunden worden. «Je länger die Zeit vergeht, desto detailreicher wird die Erinnerung von A.R.», sagte Kühne vorwurfsvoll zu den Aussagen dieses Zeugen.

Angeschossener im Wald ist kein Mittäter

Auch die Beteiligung eines anderen möglichen Mittäters (W.B.) schliessen die Ermittlungsbehörden aus. W.B. hatte von Aesch im Wald bei Oberbüren angetroffen und war von ihm angeschossen worden. Die Polizei hatte unter anderem die mobilen Daten von W.B. geprüft und konnte keine Hinweise auf eine Bekanntschaft oder eine Zusammenarbeit von von Aesch und W.B. nachweisen. Konkret: Sie waren vorher nie zusammen am selben Ort gewesen und hatten keinen telefonischen Kontakt.

Auch eine Hausdurchsuchung hatte diesbezüglich keinerlei Beweise zu Tage gebracht. Der «Blick» hatte von zwei Zeugen berichtet, die von Aeschs Lieferwagen vor W.B.s Wohnung gesehen haben wollen. «Diese Zeugen haben sich nie bei uns gemeldet, aber wir sind froh, wenn sie es doch noch tun», sagt Kühne.

Uneinig im Datum und Beobachtungen

Eine weitere Zeugin sagte gegenüber den Medien, sie habe von Aesch, W.F und Ylenia an einer Kreuzung bei Oberbüren beobachtet. Doch auch ihre Aussagen scheinen nicht glaubwürdig. Sie und ihr Sohn waren sich über das Datum und Hergang ihrer Beobachtungen uneinig und hatten den Zeitpunkt immer wieder neu definiert.

«Die Zeugenaussagen sind aufgrund der Spurenlage nicht beweisbar», sagte Christoph Ill, oberster Staatsanwalt des Kantons St.Gallen, der die Sachlage rund um die Zeugenaussagen der beiden detailreich ausgeführt hatte. Zu den Medien gewandt sagte er: «Wir erwarten nicht, dass man der Staatsanwaltschaft einfach alles glaubt. Wir erwarten aber, dass die Berichterstattung der Faktenlage entspricht.»

Quelle: TVO

veröffentlicht: 7. März 2019 14:56
aktualisiert: 7. März 2019 19:03

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