Quelle: Der Bundesrat über den präventiven Abschuss der Wolfsrudel. 1. November 2023/ Keystone-SDA
Die Kantone können ab dem 1. Dezember 2023 insgesamt zwölf Wolfsrudel vollständig abschiessen. Das Bundesamt für Umwelt (Bafu) hat entsprechende Gesuche aus fünf Kantonen bewilligt. Einzig ein Gesuch aus dem Tessin, das ganze Rudel im Onsernone-Tal zu entfernen, wurde abgelehnt.
St.Galler Calfeisentalrudel wird ausgelöscht
Der Kanton St.Gallen hat grünes Licht für den Abschuss des gesamten Calfeisentalrudels bekommen. Dieses Jahr riss das Rudel 14 Schafe in geschützten Herden.
Das Calfeisentalrudel ist eines von sechs Rudeln, die in Absprache mit den Kantonen Graubünden und Tessin im Grossraubtierkompartiment V (Südostschweiz) eliminiert werden sollen. Im Kompartiment gibt es insgesamt 16 Wolfsrudel mit Reproduktion. Die neue eidgenössische Jagdverordnung definiert für dieses Kompartiment ein Minimum von nur drei Rudeln. Die Kantone nutzen diesen Spielraum nicht aus. Im Kompartiment kommen auch unauffällige Rudel vor, die zu keinen Problemen führen.
Graubünden darf 44 Wölfe abschiessen
Das Bafu hat auch das Gesuch des Kantons Graubünden vollumfänglich gutgeheissen. Die vier Wolfsrudel Stagias, Vorab, Beverin und Lenzerhorn dürfen vollständig «entnommen» werden. Mit den Eingriffen sollen in erster Linie die Konflikte im Bereich der Landwirtschaft in den am stärksten betroffenen Gebieten reduziert werden, schreibt der Kanton. Damit die Scheu gegenüber dem Menschen noch grösser wird, werden zudem in den beiden Wolfsrudeln Jatzhorn in Davos und Rügiul im Puschlav insgesamt fünf Jungtiere erlegt.
«Erfahrungen zu dieser Art der Wolfsregulation fehlen – wir sind nach wie vor in einem Lernprozess in Sachen Wolfsmanagement. Es wird wichtig sein, die nun gemachten Erfahrungen im Frühjahr 2024 auszuwerten und die Wirkungen im nächsten Alpsommer gut zu beobachten», sagt Regierungsrätin Carmelia Maissen, Vorsteherin des Departements für Infrastruktur, Energie und Mobilität.
Zahl der Wölfe wächst stark
Möglich macht die Abschüsse eine Änderung der Jagdverordnung, die Anfang November in Kraft trat. Demnach dürfen Wölfe vom 1. Dezember bis zum 31. Januar präventiv abgeschossen werden, also bevor sie Schaden angerichtet haben. Derzeit streifen in der Schweiz gemäss Angaben des Bundes 32 Wolfsrudel mit insgesamt rund 300 Wölfen herum. Im Jahr 2020 waren es noch elf Rudel mit gut 100 Wölfen gewesen.
Die Zahl der gerissenen Nutztiere stieg von 446 im Jahr 2019 auf 1480 im vergangenen Jahr. Vor allem für die Alpwirtschaft mit Schafen und Ziegen ist das ein Problem. Die Wölfe rissen aber auch Rindvieh, Alpakas oder einmal einen Esel.
An der Jagd auf die Wölfe beteiligen dürfen sich nur Wildhüterinnen und Wildhüter sowie speziell ausgebildete Jägerinnen und Jäger. Dass alle Wölfe wie vom Bund bewilligt bis Ende Januar erlegt werden, ist laut dem Bundesamt für Umwelt unwahrscheinlich. Es sei jedoch davon auszugehen, dass das Wachstum des Wolfsbestands – wie vom Bundesrat beabsichtigt – stark gebremst werde, hiess es im Communiqué.
In den kommenden Jahren werden die Kantone jeweils von September bis Ende Januar präventiv in den Wolfsbestand eingreifen. Dazu müssen sie den Angaben zufolge jeweils neue Gesuche einreichen.
Wolfsschützer sehen Rechtsbruch
In Wolfsschutz-Kreisen waren die Pläne von Bund und Kantonen bereits im Vorfeld des Entscheids des Bafu auf Kritik gestossen. Das Vorhaben sei mit der Berner Konvention unvereinbar, teilten die Wolfsschutzorganisationen CH Wolf und Avenir Loup Lynx Jura (Deutsch: Zukunft Wolf Luchs Jura) am vergangenen Freitag mit.
Die Berner Konvention ist ein Übereinkommen über die Erhaltung der europäischen wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume. Die Schweiz hat diese Konvention unterzeichnet.
(sda/mle)