St.Gallen

Getränkegutscheine für Getestete im Kugl – Geimpfte finden's unfair

14.10.2021, 09:27 Uhr
· Online seit 14.10.2021, 09:05 Uhr
Das Kugl in St.Gallen will den Gästen, die sich testen lassen, einen Getränkegutschein über 15 Franken offerieren. Als Anreiz, den Club zu besuchen – aber auch, um herauszufinden, welche Gäste das Lokal besuchen: Geimpft oder nicht geimpft? Andere Ostschweizer Clubs verzichten auf ähnliche Massnahmen.
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In der Gastroszene hat man teilweise wenig Freude an der seit Montag geltenden Kostenpflicht für Coronatests. Vor dem ersten Partywochenende, an welchem die Tests nicht mehr vom Staat übernommen werden, befürchten einige Nachtclubs einen Einbruch der Gästezahlen – denn je nach Lokal ist ein nicht vernachlässigbarer Anteil der Besuchenden nach wie vor ungeimpft und braucht für den Clubbesuch einen Test.

Dem drohenden Gästeeinbruch zuvorkommen

Diese sind je nach Anbieter und persönlichem Budget nicht gerade günstig und wohl für viele potenzielle Gäste ein finanzielles Hindernis für einen ausgelassenen Clubabend.

Das Kugl in St.Gallen will dem drohenden Gästeeinbruch deshalb zuvorkommen. Der Nachtclub kündigte auf der Webseite und auf Social Media an, dass Gäste, die sich testen lassen, um im Kugl zu feiern, in den Genuss eines 15-Franken-Getränkegutscheins kommen.

Kugl will niemanden benachteiligen – lediglich den einen entgegenkommen

Diese Ankündigung sorgt für Diskussionsstoff: Auf der Facebook-Seite des St.Galler Lokals ist bereits eine Debatte darüber entbrannt, ob der Gutschein denn nicht unfair gegenüber den Geimpften sei. Daniel Weder, der Inhaber des Clubs, erklärt, dass man niemanden benachteiligen wolle. Es gehe lediglich um ein Entgegenkommen für die Ungeimpften. «Diejenigen, die sich testen lassen müssen, zahlen trotz des Gutscheins unter dem Strich für den Ausgang drauf.»

Für Weder geht es aber auch noch um etwas anderes: «Die Impfquote bei den jungen Erwachsenen im Kanton St.Gallen ist schlecht. Wir möchten mit der Abgabe der Gutscheine herausfinden, wie viele Ungeimpfte tatsächlich ins Kugl kommen.» Die abgegebenen Gutscheine sollen gezählt werden, um sich ein Bild von der Zusammensetzung des Kugl-Publikums zu verschaffen.

Der Idealfall für das Kugl wäre die Erkenntnis, dass der Grossteil des Publikums geimpft ist und man deshalb nicht von den Getesteten abhängig ist. Damit scheint die Clubführung aber eher nicht zu rechnen, wie die Reaktion auf die Nachricht einer Followerin auf Facebook zeigt.

Untergräbt das Vorgehen die Impfbemühungen?

Die Getränkegutscheine sorgen zudem für eine weitere Konstellation, die Fragen aufwirft. Denn indem das Kugl die Gutscheine anbietet, übernimmt der Club indirekt einen Teil der Testkosten für die Gäste. Untergräbt das Lokal damit nicht die Bemühungen von Bund und Kanton, die mit der neu eingeführten Kostenpflicht unter anderem die Impfquote erhöhen wollen? Wenn die Tests teilweise weiterhin fremdfinanziert werden, könnte der Anreiz, sich impfen zu lassen, nicht hoch genug sein.

Weder glaubt nicht, dass man mit der Massnahme die Impfbemühungen torpediert: «Damit das der Fall wäre, müssten wir ja die ganzen Testkosten übernehmen.» Das sei nicht geplant und alleine schon aus finanzieller Sicht nicht möglich. Er erklärt weiter: «Wir müssen in der aktuell für die Branche sehr schwierigen Situation auf uns selbst schauen und das machen, was wirtschaftlich die beste Lösung ist.» Man könne und wolle sich derzeit auf nichts Anderes konzentrieren.

Der Kanton äussert sich nicht

Der Kanton St.Gallen scheint derweil auch kein Problem mit dem Gutscheinprojekt zu haben – und falls er eines haben sollte, will er dies nicht öffentlich kundtun. Auf Anfrage von FM1Today heisst es bei der Medienstelle: «Für Teststationen ausserhalb von Arztpraxen, Labors oder Apotheken gelten gewisse Vorgaben. Solange diese eingehalten werden und der Kanton keine Mängel feststellt, äussert sich das Gesundheitsdepartement nicht zu privaten Initiativen.»

Bei anderen Lokalen in der Ostschweiz sind keine vergleichbaren Massnahmen geplant, um Getestete zum Clubbesuch zu animieren. So fürchtet beispielsweise Roni Szepanski, Betreiber des Selig in Chur, auch keinen massiven Gästeeinbruch, so wie es einige Berufskollegen tun: «Niemand weiss wirklich, wie es herauskommen wird. Wir haben in den vergangenen Wochen an Abenden, an denen es keine nahegelegene Testmöglichkeit gab, gute Erfahrungen gemacht.»

«Ich glaube, man tut den Jungen unrecht»

So hätten beispielsweise an Donnerstagen «unfassbar» viele junge Gäste das Selig besucht. Er glaubt, dass diese – zumindest jene, die ins Selig kommen – eben doch häufiger geimpft sind, als dass dies in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. «Ich glaube, man tut den Jungen Unrecht, wenn man sie pauschal in den ‹Ungeimpften-Topf› wirft», sagt Szepanski. Auch eine Rolle spielen könnten laut dem Clubbetreiber die grossflächigen Betriebstestungen, die in Graubünden durchgeführt werden und von welchen auch die potenziellen Ausgänger seit dem 12. Oktober in Form von Zertifikaten profitieren können.

Auch Silvio Baumgartner, Betreiber des «Kreuz» in Altstätten, will keine spezifischen Massnahmen treffen, um getestete Gäste anzulocken. Er hält einen Einbruch der Gästezahlen zwar für sehr wahrscheinlich, sagt aber: «Ich denke, dass sich die Lage rasch normalisieren wird, weil sich die Leute nun impfen lassen werden.»

Das erste Partywochenende mit kostenpflichtigen Coronatests steht bevor – bald ist klar, ob sich die Befürchtungen bezüglich der Gästezahlen bewahrheiten oder doch alles nur halb so wild ist.

(con)

veröffentlicht: 14. Oktober 2021 09:05
aktualisiert: 14. Oktober 2021 09:27
Quelle: FM1Today

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