Ostschweiz
St. Gallen

«Kenne mich in Erziehung nicht aus»

«Kenne mich in Erziehung nicht aus»

27.11.2018, 16:13 Uhr
· Online seit 27.11.2018, 15:08 Uhr
Weil es sein Kind vernachlässigt haben soll, bis dieses starb, muss sich ein Staader Paar vor dem Kreisgericht wegen vorsätzlicher Tötung verantworten. Der Vater schiebt die Schuld auf die Mutter.
Laurien Gschwend
Anzeige

Die Eltern des toten Mädchens – eine 35-Jährige Deutsche und ein 55-Jähriger Schweizer – werden verdächtigt, ihre elterlichen Sorgfaltspflichten verletzt und das gemeinsame Kind vernachlässigt zu haben. Dies unter anderem wegen ihres Drogenkonsums.

Alleine zu Hause gelassen

Die Tochter soll nicht altersgerecht ernährt worden sein, zudem habe sie mangelnde Bewegung gehabt. Auch die medizinische Versorgung, die körperliche Hygiene und die sozialen Kontakte der Einjährigen sollen vernachlässigt worden sein. Die Eltern werden verdächtigt, ihr Kind mehrmals unbeaufsichtigt zu Hause gelassen zu haben. Die Vernachlässigung habe zum Tod des Mädchens geführt, Behörden fanden die Leiche am 4. August 2015 im Wohnhaus des Paares (FM1Today berichtete).

«Haus war immer sauber»

Am Dienstag fand die Verhandlung wegen Platzmangels nicht im Kreisgericht Rorschach, sondern im grossen Saal des St.Galler Kantonsgerichtes statt. Der Vater wurde am Vormittag über zweieinhalb Stunden befragt. Er wies den Vorwurf der Vernachlässigung von sich – er habe sich auf seine Partnerin verlassen, da er sich in Erziehungsfragen nicht auskenne. «Das Haus war immer sauber, das Kind gesund und herzig angezogen», sagte der Beschuldigte.

Vor Gericht verhielt sich der Mann unruhig. Es fiel ihm schwer, ruhig zu sitzen. Seit seine Tochter gestorben ist, gehe es ihm nicht gut. Heute lebe er zwar noch mit der Mutter zusammen, es handle sich aber eher eine Wohngemeinschaft als um eine Liebesbeziehung.

Schwierige Kindheit

Er habe keine schöne Kindheit gehabt. Wegen einer Operation am Auge sei er gehänselt worden und auch zuhause habe es oft Streit gegeben. Sowohl sein Vater als auch sein Bruder hätten sich das Leben genommen. Wegen eines Burnouts habe er später seine langjährige Anstellung verloren und seither nur auf Stundenbasis gearbeitet.

Das Mädchen sei kein Wunschkind gewesen – trotzdem habe er sich darauf gefreut, Vater zu werden, und sei bei allen Terminen mitsamt der Geburt dabei gewesen. Er und seine Partnerin hätten sich darauf geeinigt, dass sie, die schon drei Kinder gross gezogen hat, sich um die Erziehung kümmere. Er habe bis zu zwölf Stunden täglich gearbeitet, um Geld nach Hause zu bringen.

Drogenvorwurf abgestritten

Vom Vorwurf, er und seine Partnerin hätten Kokain konsumiert, wollte er nichts wissen. Er habe keine Drogen genommen und dies auch der Mutter nicht angemerkt. Umso erstaunter sei er gewesen, habe sich plötzlich die Schutzbehörde Kesb angemeldet.

Am Nachmittag wird die Mutter befragt, die in den vergangenen Jahren als Prostituierte arbeitete. Sie und ihr Partner lernten sich wegen ihrer Arbeit bei einem Begleitservice kennen.

Zehn und acht Jahre Gefängnis gefordert

Die Staatsanwaltschaft klagte das Paar im Februar 2018 beim Kreisgericht Rorschach an. Die Mutter soll wegen vorsätzlicher Tötung, Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht und mehrfacher Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zehneinhalb Jahren, einer unbedingten Geldstrafe und einer Busse verurteilt werden.

Für den Vater sieht die Staatsanwaltschaft wegen vorsätzlicher Tötung, Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht und mehrfacher Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz eine unbedingte Freiheitsstrafe von 8 Jahren und eine unbedingte Geldstrafe vor. Für das Paar gilt die Unschuldsvermutung.

veröffentlicht: 27. November 2018 15:08
aktualisiert: 27. November 2018 16:13
Quelle: abl/lag/SDA

Anzeige
Anzeige