Hygienemassnahmen

Zügeln oder nicht zügeln – das ist hier die Frage

· Online seit 26.03.2020, 11:42 Uhr
Der Bundesrat rät davon ab, in den nächsten Wochen zu zügeln. Doch viele haben für Ende März bereits den Umzugswagen bestellt. Eine Rechtsberaterin vom Mieterverband klärt nun die wichtigsten Fragen.
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Die Kisten sind gepackt, der Vertrag unterschrieben, das neue Heim in greifbarer Nähe. Für tausende  Schweizerinnen und Schweizer steht Ende März der Zügeltermin fest im Kalender. Doch nun hat der Bund die Empfehlung abgegeben, nicht umzuziehen, wenn es nicht dringend nötig ist. Vor allem weil die Hygienemassnahmen bei einem Umzug nicht eingehalten werden könnten. Eine verständliche Massnahme für Tatjana Romanelli, Rechtsberaterin vom Mieterinnen- und Mieterverband Ostschweiz. Allerdings: «Wir bekommen aktuell viele Anfragen zu diesem Thema. Die Pandemie ist auch für die Mietsituation verunsichernd.»

«Die meisten Umzüge finden erst noch statt»

Im Raum St.Gallen werden zwischen dem 27. und 31. März 16 Wohnungsübergaben in Anwesenheit einer Fachperson des Mieterverbandes durchgeführt. Eine hohe Zahl im Vergleich zum Vorjahr, sagt Tatjana Romanelli: «Das deutet darauf hin, dass wohl die meisten Umzüge erst noch stattfinden.» Aus mietrechtlicher Sicht steht diesen Umzügen vorerst nichts im Weg. Eine Verordnung diesbezüglich wurde nicht erlassen. Dies schränkt die Flexibilität bezüglich des Zügeltermins allerdings ein: «Es gibt somit aus mietrechtlicher Sicht auch keine Möglichkeit, den Zügeltermin zu verschieben.»

Krankheit schützt nicht vor Mietrecht

Auch ein Krankheitsfall könne nichts daran ändern. Das Obligationenrecht bleibe bestehen. «Das Mietobjekt muss auch im Krankheitsfall am Ende der Mietdauer zurückgegeben werden. Der Mieter müsste jemanden beauftragen, der die Wohnung für ihn zurückgibt», sagt Romanelli. Allerdings besteht die Möglichkeit, länger in der Wohnung zu bleiben, wenn noch kein Nachmieter gefunden ist und der Vermieter dieser Zwischenlösung zustimmt.

Doch auch mit dieser Option sind laut der Rechtsexpertin Schwierigkeiten verbunden: «Das Risiko besteht darin, für zwei Wohnungen Miete bezahlen zu müssen. Weiter kann es sein, dass der Vermieter einen neuen Vertrag unterbreitet mit gegebenenfalls schlechteren Bedingungen. Das Aussprechen einer Kündigung sollte daher – unabhängig von der aktuellen Situation – gut überlegt sein.»

Wohin mit den Abfällen?

Ein weiterer Stolperstein für Umzüge stellt aktuell die Entsorgungssituation dar. Beim Ausmisten der Wohnung sammelt sich einiges an Abfall, der Vorzugsweise auf einer Sammelstelle entsorgt wird. Doch aufgrund des Coronavirus haben auch andere die Zeit, sich von Altlasten zu trennen. Wie FM1Today berichtet, führt dies zu Menschenansammlungen auf den Entsorgungsstellen.

Markus Etter, Geschäftsleiter der Schiess Recycling AG empfiehlt deshalb allen, die in naher Zukunft zügeln, eine Mulde zu bestellen, die der Entsorger abholt, sobald sie gefüllt ist. Sollte sich zu wenig Abfall ansammeln, solle man sich mit anderen zusammenschliessen, um die Mulde vollzubekommen.

Folgen von möglichem Zügel-Stopp unklar

Die Frage, was passieren würde, wenn der Bundesrat das Zügeln in den nächsten Wochen komplett verbietet, ist auch für die Rechtsexpertin schwer zu beantworten. Vor allem, weil die konkreten Bedingungen für einen Zügel-Stopp nicht bekannt sind. Allerdings sieht sie ein Problem, dass sich anbahnen könnte: «Für ein Mietverhältnis ist das Zügeln nicht notwendig. Der Vermieter erfüllt seine Pflicht alleine dadurch, dass er dem Mieter die Wohnung zum vereinbarten Termin in guten Zustand überlässt.»

Bund muss Details klären

Für das beendete Mietverhältnis könnte die Miete weiterhin geschuldet sein, wenn der Mieter das Objekt nicht verlässt. Sofern für gerichtliche Verfahren weiterhin ein Rechtsstillstand gelte, könne der Vermieter auch kein sogenanntes Mieterausweisungsverfahren anhängig machen, sagt Tatjana Romanelli. «Es bleibt danach die Frage zu klären, wer für die Kosten der Extramiete aufzukommen hat. Mieter – Vermieter – Bund – jemand anderer? Wir hoffen, dass der Bund im Zuge eines solchen Verbotes auch die Details der Folgen daraus bestimmen würde.»

Ob der Bundesrat den Zügel-Stopp als Massnahme ergreifen wird, zeigt der Verlauf der Corona-Pandemie in den nächsten Wochen. Um sich auf diesen Fall vorzubereiten, gibt Tatjana Romanelli eine Empfehlung ab: «Die Mietvertragsparteien sollen das Gespräch miteinander suchen, um im Ernstfall eine sinnvolle und für beide Seiten akzeptable Lösung zu finden.»

veröffentlicht: 26. März 2020 11:42
aktualisiert: 26. März 2020 11:42
Quelle: FM1Today

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