Kanton St.Gallen

«Zustände, bei denen einem das Arbeiten echt verleidet» – Apotheken sind überlastet

10.09.2021, 09:45 Uhr
· Online seit 10.09.2021, 05:37 Uhr
Die Apotheken sind schon länger am Anschlag der Test-Kapazitäten, doch die neuen Beschlüsse des Bundesrats bringen das Fass zum Überlaufen. Unterstützung von den Kantonen wäre dringend nötig, aber diese sträuben sich schon seit Monaten.
Anzeige

Der Bundesrat hat entschieden: Ab Montag gilt in Örtlichkeiten wie beispielsweise Restaurants und Bars die Zertifikatspflicht. Ziel ist es, mit den Massnahmen die Impfquote zu erhöhen und die Intensivstationen vor einer Überlastung zu schützen. Dies sei absolut richtig so, sagt Claudia Meier-Uffer, Präsidentin des Apothekerverbands St.Gallen und Appenzell: «Ich habe Verständnis für den Bundesratsentscheid, aber er hat die Konsequenzen nicht durchdacht. Der Bundesrat versucht, die Spitäler vor dem Kollaps zu schützen – und dafür kollabieren wir.»

«Eine Katastrophe»

Die Apotheken und Testzentren sind bereits seit Monaten an den Kapazitätsgrenzen. Der Beschluss von Mittwoch überbietet aber alles bisher Erlebte. «Eine Katastrophe. Seit Mittwochnachmittag füllen sich alle unsere Termine.» Die Inhaberin der Rotpunkt Apotheke in Gossau berichtet, dass Tage mit bis zu 300 Tests in letzter Zeit zur Normalität geworden seien und gesteht: «Wir sind echt verzweifelt. Ich weiss nicht, wie es weitergehen soll.»

Im Kanton Graubünden ist die Situation ähnlich. Bei der Steinbock Apotheke in Chur klingelt das Telefon seit Mittwochnachmittag ununterbrochen. «Alle wollen sich testen lassen und alle haben einen plausiblen Grund. Ob Hochzeit oder Ferien, es ist schwer, Nein zu sagen», sagt die Inhaberin und Präsidentin des Apothekerverbands Graubünden, Monika Fehr.

Gereizte Stimmung bei den Testenden und dem Personal

Diese Belastung führt beim Personal zu einer Ermüdung und auch die Kundinnen und Kunden reagieren zunehmend gereizt. «Die Stimmung fängt an zu kippen. Die Leute sind genervt und lassen den Frust an unserem Personal raus», sagt Meier-Uffer. Der Unmut bei den zu Testenden und beim Personal sei aktuell gross. So komme es auch immer wieder zu Streitereien, die für die Situation alles andere als hilfreich seien. Die höchste St.Galler Apothekerin findet klare Worte: «Es sind Zustände, bei denen einem das Arbeiten echt verleidet. In 30 Jahren musste ich so etwas noch nie sagen, aber so ungern wie momentan habe ich noch nie im Leben gearbeitet.»

Der Kanton reagiert nicht

Das Problem ist nicht neu. Es wurde aber durch die neuen Beschlüsse zusätzlich verschärft. «Bereits seit dem Frühling weisen wir den Kanton auf die Problematik hin und bitten um den Bau von Testzentren», sagt die Präsidentin des Apothekerverbands St.Gallen und Appenzell. Eine wirkliche Reaktion sei ausgeblieben: «Auf alle unsere Anfragen und Hilfeschreie reagieren sie gleich und behaupten, es gebe genügend Kapazitäten.»

Gegenüber FM1Today sagt der Kanton St.Gallen: «Die Lage wird beobachtet. Es ist den Apotheken oder weiteren privaten Anbietern überlassen, weitere Kapazitäten aufzubauen.» Ein Testzentrum sei aktuell nicht geplant.

Entspannung im Oktober?

Ob sich die Situation entspannt, wenn die Tests ab Oktober nicht mehr gratis sind, kann noch nicht beantwortet werden. «Das fragen wir uns auch. Erste Buchungen für den Oktober sind bereits eingegangen», sagt Meier-Uffer. Ihre Kollegin aus Chur glaubt, dass die Nachfrage noch eine Weile gross bleiben wird. Der Oktober ist eine beliebte Ferienzeit und auch viele Veranstaltungen finden in dieser Zeit statt. «Auch wenn sich die Leute durch den Druck des Bundesrats zum Impfen entscheiden, dauert es im Minimum sechs Wochen, bis beide Impfungen ihre Wirkung zeigen», sagt Monika Fehr.

Eine leichte Entspannung ist in Sicht, trotzdem bleibt die Lage in den Apotheken angespannt. Fehr will den Optimismus nicht verlieren und sagt: «Wir haben es den ganzen Sommer geschafft, irgendwie muss es gehen.»

veröffentlicht: 10. September 2021 05:37
aktualisiert: 10. September 2021 09:45
Quelle: FM1Today

Anzeige
Anzeige